Papst Franziskus bedauert laut eigenen Aussagen die Mitwirkung der Kirche an der "kulturellen Zerstörung" der indigenen Gesellschaften.

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Edmonton – Papst Franziskus hat bei seinem Besuch in Kanada die Ureinwohnerinnen und Ureinwohner des Landes um Vergebung für das erlittene Unrecht gebeten. Er bitte um Vergebung für "das Böse, das so viele Christen indigenen Menschen angetan haben", sagte der Papst am Montag bei einem Besuch in dem Ort Maskwacis. Das katholische Kirchenoberhaupt bedauerte die Mitwirkung der Kirche an der "kulturellen Zerstörung" der indigenen Gesellschaften.

"Schmerz und Reue"

Er äußerte Bestürzung über die Art und Weise, "in der viele Mitglieder der Kirche und von religiösen Gemeinschaften, nicht zuletzt durch Gleichgültigkeit, an Projekten der kulturellen Zerstörung und erzwungenen Assimilierung mitwirkten". Er empfinde Schmerz und Reue, sagte der 85-Jährige.

Der Papst traf in Maskwacis, rund hundert Kilometer südlich von Edmonton, Vertreter der indigenen Bevölkerung, die sich seit langem auf den Besuch des katholischen Kirchenoberhaupts vorbereitet hatten. In Maskwacis befand sich von 1895 bis 1975 das Internat von Ermineskin, eines der größten des Landes.

150.000 Kinder aus Familien gerissen

In Kanada waren seit 1874 rund 150.000 Kinder von Ureinwohnern und gemischten Paaren von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und in kirchliche Heime gesteckt worden, um sie so zur Anpassung an die weiße Mehrheitsgesellschaft zu zwingen. Viele von ihnen wurden dort misshandelt oder sexuell missbraucht, tausende starben an Krankheiten oder Unterernährung.

Die Missbrauchstaten geschahen über Jahrzehnte hinweg in staatlichen und von der Kirche geführten Einrichtungen. Kinder starben an den Folgen von Krankheiten und Hunger oder im Zusammenhang mit Missbrauch. Die Fälle erlangten international Aufsehen, als Experten vor etwas mehr als einem Jahr in der Nähe eines Internats anonyme Gräber von Kindern entdeckten.

Kritik an mangelnder Entschädigung

In der indigenen Bevölkerung Kanadas ahnten Familienmitglieder schon lange, welches Schicksal ihre Verwandten einst in diesen Institutionen ereilte. Den teils ihren Familien entrissenen Kindern sollte dort "westliche" Kultur beigebracht werden. Die Debatte über den Umgang mit den Ureinwohnerkindern läuft in Kanada schon seit Jahren. Kritik gibt es an der Kirche wegen nicht angemessener Entschädigung für die Überlebenden.

Franziskus kündigte vor seinem Abflug an, als Büßer in das flächenmäßig zweitgrößte Land der Welt mit rund 38 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern zu kommen. Auf dem Flug nach Edmonton sagte er am Sonntag, man müsse auf dieser Reise "aufmerksam" sein. Auf dem Weg vom Flughafen waren vereinzelt Menschen am Straßenrand, die auf den vorbeifahrenden Papst warteten. An einer Brücke hing aber auch ein Banner mit der Aufschrift "No to apology" (Nein zu einer Entschuldigung).

In Edmonton, der Hauptstadt der Provinz Alberta mit rund einer Million Einwohnern, ist auch eine große ukrainische Diaspora beheimatet. Ob Franziskus, der zuletzt ankündigte, in die ukrainische Hauptstadt Kiew reisen zu wollen, Vertreter der Gemeinschaft treffen wird, ist offiziell jedoch nicht bekannt. (APA, red, 25.7.2022)