Energieministerin Gewessler sieht Österreich am Tag vor dem Gipfel der EU-Energieministerinnen und -minister auf gutem Kurs und gibt altbekannte Energiespartipps.

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Das Ziel ist klar: Bis zum Beginn der Heizsaison sollen Österreichs Gasspeicher zu 80 Prozent gefüllt sein. Ob dieses Ziel in Gefahr ist, wie es mit der europäischen Solidarität aussieht und warum in Österreich erst im Herbst eine Energiesparkampagne starten soll, dazu wurde am Montagabend Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) in der "ZiB 2" befragt.

Kein technischer Grund für Lieferreduktion

"Wladimir Putin nutzt Energielieferungen als Waffe", holt Gewessler zunächst als Antwort auf die Frage aus, wie sicher das österreichische 80-Prozent-Ziel für den Herbst aktuell noch sei. Diese Strategie kenne man schon, so Gewessler. Sie halte es auch für keinen Zufall, dass Gazprom ausgerechnet am Tag vor einem Treffen der Energieministerinnen und -minister der EU-Staaten die empfindliche Drosselung der Gasliefermenge auf 20 Prozent verkündet. Sie geht, genauso wie der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (ebenfalls Grüne), von einem politischen Grund aus, der Vorstand der E-Control, Wolfgang Urbanschitsch, habe ihr gegenüber ebenfalls gesagt, er sehe keinen technischen Grund für die Liefereinschränkungen.

"Wir sind auf einem guten Kurs, unser Speicherziel zu erreichen", sagt Gewessler schließlich zu der Frage nach der Erreichung des 80-Prozent-Ziels. Die Ostseepipeline Nord Stream 1 sei nicht die zentrale Versorgungsroute für Österreich. Selbst bei der vollständigen Stilllegung von Nord Stream 1 konnte Erdgas weiterhin eingespeichert werden, weil zunehmend nichtrussisches Gas nach Österreich komme und weil das russische Gas über die Ukraine geliefert werde. Ein erster Speicher der OMV habe bereits das 80-Prozent-Ziel erreicht.

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Alarmstufe würde zunächst "deutlicheren Aufruf" bedeuten

Gewessler schließt aber nicht aus, dass man in die Alarmstufe, also Stufe 2, oder gar in die Notfallstufe, also Stufe 3 des Notfallsplans, gehen werde. Letzteres wäre etwa der Fall, wenn Russland Gaslieferungen komplett für einen längeren Zeitraum einstellen würde.

Wie würde aber die Alarmstufe aussehen? In einem ersten Schritt würde das einen "noch deutlicheren Aufruf zum Energiesparen" bedeuten. "Energiesparen ist ein zentraler Beitrag, dass wir jeden Kubikmeter Gas, den wir jetzt nicht brauchen, auch einspeichern können", sagt die Energieministerin.

Das passiere auch schon: Im Vergleich zum Jahr 2021 habe man bereits einen um zehn Prozent geringeren Gasverbrauch.

Energiespar-Kampagne erst im Herbst

Der Notfallplan der EU sieht vor, freiwillig den Gasverbrauch um 15 Prozent zu senken, bei den verbindlichen Zielen gibt es aber bereits zahlreiche Ausnahmen für verschiedene Länder. 15 Prozent Reduktion des Gasverbrauchs schaffen? Das brauche eine Kraftanstrengung, sagt Gewessler, aktuell stehe man bei zehn Prozent. Derzeit sei aber eine Verordnung in Begutachtung, die Industrie überall dort, wo es möglich ist, auf andere Energieträger umzustellen. Darüber hinaus verweist die Ministerin auf altbekannte Energiespartipps für Haushalte.

Eine gezielte Kampagne zum Energiesparen soll es aber erst im Herbst geben. Warum geht man nicht früher aktiv auf die Bevölkerung zu? "Das sage ich seit Wochen, dass Energiesparen gescheit ist und ein notwendiger Beitrag ist, den wir brauchen." Die Frage, wann man eine solche Kampagne durchführe, habe man mit Experten intensiv diskutiert, die größte Wirkung habe sie aber, wenn die Heizsaison startet, weil dann auch in der Stromproduktion Gas benötigt werde. Sparen sei neben Diversifizierung und Einspeichern eine ganz wichtige Säule.

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Deckel auf den Topf

Worauf muss sich die Bevölkerung aber vorbereiten?, fragt "ZiB 2"-Moderatorin Margit Laufer gegen Ende. "Wir haben in Österreich im Falle eines absoluten Notfalles das Instrument der Energielenkung", antwortet Gewessler. Das bedeute: Die geschützten Kundinnen und Kunden, also die Haushalte, müssten sich nicht fürchten, auch dadurch, dass man bei großen Industriebetrieben den Verbrauch drosselt. Niemand solle in Österreich frieren. Aber: Jeder Beitrag zum Energiesparen helfe. "Da geht's bei den Haushalten, wenn wir bei dem Thema bleiben, um viele Tipps, die wir wahrscheinlich von unseren Großeltern noch kennen, die vielleicht sorgsamer noch mit Energie umgegangen sind", so die Ministerin. "Das ist: die Heiztemperatur um ein, zwei Grad runterregeln, das ist: den Deckel auf den Topf tun beim Kochen, das ist: den Heizkörper freiräumen." Das klinge alles für sich genommen banal, aber in Summe habe das eine große Wirkung. (lew, 25.7.2022)