Die zuständige EU-Kommissarin für Energie, Kadri Simson.

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Zusammenhalt ist in der EU in der derzeitigen Gaskrise unverzichtbar. "Um durch die aktuelle Krise zu kommen, braucht die EU einheitliches Handeln", betonte der Direktor der Internationalen Energieagentur, Fatih Birol, vergangene Woche. Denn es gebe nicht ausreichend andere Quellen, um die fehlenden Lieferungen Russlands zu kompensieren. Daher mahnte Birol eine abgestimmte Notfallplanung der EU ein – die nun Formen annimmt.

Denn die EU-Staaten haben das Beschlussverfahren für einen Notfallplan zur Drosselung des Gaskonsums auf den Weg gebracht. Bei einem Sondertreffen der für Energie zuständigen Minister kam am Dienstag in Brüssel die notwendige Mehrheit für den Schritt zusammen, wie die tschechische EU-Ratspräsidentschaft bestätigte. Der Plan soll vor allem die Risiken reduzieren, die sich aus einer vollständigen Unterbrechung russischer Gaslieferungen ergeben könnten.

Verbindlich bei Engpässen

Der Plan sieht wie von der EU-Kommission vorgeschlagen vor, den nationalen Konsum im Zeitraum vom 1. August 2022 bis zum 31. März 2023 freiwillig um 15 Prozent zu senken. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei weitreichenden Versorgungsengpässen einen Unionsalarm auszulösen und verbindliche Einsparziele vorzugeben.

Im Vergleich zum ersten Entwurf der Kommission sind dafür allerdings deutlich mehr Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen und auch die Hürden für die Einführung von verbindlichen Einsparzielen wurden erhöht. Letztere sollen nur vom Rat der Mitgliedstaaten und nicht von der EU-Kommission durchgesetzt werden können.

Konkret bedeutet dies, dass ein Kommissionsvorschlag für verbindliche Einsparziele die Zustimmung einer Gruppe von 15 der 27 EU-Länder braucht. Zudem müssten diese zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen.

Etliche Ausnahmen

Ausnahmeregelungen sollen zum Beispiel vorsehen, dass Länder wie Zypern, Malta und Irland nicht zum Gassparen verpflichtet werden sollten, solange sie nicht direkt mit dem Gasverbundnetz eines anderen Mitgliedstaats verbunden sind. Bei anderen Staaten sollen zum Beispiel Anstrengungen zur Einspeicherung von Gas, eine drohende Stromkrise und der Verbrauch von Gas als Rohstoff etwa zur Erzeugung von Düngemitteln die verpflichtende Einsparmenge reduzieren können.

ORF

Gewessler: Österreich auf "gutem Kurs"

Österreich wurde bei dem Treffen von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) vertreten. Sie hatte am Montagabend in der "ZiB 2" des ORF darauf hingewiesen, dass der Gasverbrauch schon jetzt aufgrund der hohen Preise um zehn Prozent zurückgegangen sei. Zugleich berichtete sie, Österreich sei weiterhin "auf gutem Kurs, unser Speicherziel zu erreichen", weil die von russischen Drosselungen betroffene Pipeline Nord Stream 1 nicht die zentrale Versorgungsroute für das Land sei.

Um die Reduktion des Gasverbrauchs auf 15 Prozent zu steigern, brauche es aber eine Kraftanstrengung, so Gewessler. Derzeit sei eine Verordnung in Begutachtung mit dem Ziel, die Industrie überall dort, wo es möglich ist, auf andere Energieträger umzustellen. Darüber hinaus verwies die Ministerin auf altbekannte Energiespartipps für Haushalte. Eine gezielte Kampagne zum Energiesparen soll es erst im Herbst zu Beginn der Heizperiode geben.

Warnung vor Abmilderung

Vor dem Gipfel in Brüssel warnte Gewessler am Dienstag dann vor einer Abmilderung des Notfallplans. Der Vorschlag dürfe nicht weiter verwässert werden, es müsse ein "starkes Signal der gemeinsamen Sparanstrengung" geben. "Wir müssen ohnehin sparen", wenn das "alle gemeinsam tun, fällt es für Österreich und Europa insgesamt leichter, die Abhängigkeit" von russischem Gas zu reduzieren.

"Die Diskussion, die wir heute führen, führen wir vor dem Hintergrund, dass Wladimir Putin erst mit der gestrigen Ankündigung wieder bewiesen hat, er ist bereit, Energielieferungen als Waffen in dieser Auseinandersetzung einzusetzen", sagte die Energieministerin.

Der russische Gaskonzern Gazprom hatte am Montag angekündigt, die Lieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 weiter zu senken. Ab Mittwoch werden demnach täglich nur noch 20 Prozent oder 33 Millionen Kubikmeter Gas durch die wichtigste Versorgungsleitung nach Deutschland fließen. Grund sei die Reparatur einer weiteren Turbine, hieß es vom Unternehmen.

Gewessler hatte schon in der "ZiB 2" unter Verweis auf die Regulierungsbehörde E-Control gesagt, es gebe "keinen technisch nachvollziehbaren Grund für diese Ankündigung". Ihre Folgerung: Man müsse von einer "politischen Ankündigung" ausgehen. (APA, aha, 26.7.2022)