Der österreichische Bundeskanzler trifft Viktor Orbán am Donnerstag in Wien.

Foto: REUTERS/BERNADETT SZABO

Berlin/Wien/Kiew – Das Internationale Auschwitz-Komitee hat sich "alarmiert und entsetzt" über die rassistischen Ausfälle des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán gezeigt. Komitee-Vizepräsident Christoph Heubner hat diesbezüglich auch Erwartungen an Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der Orbán am Donnerstag in Wien empfängt. Nehammer solle ihm mitteilen, "wie seine rassistischen Ausflüge in die Vergangenheit und in die Zukunft Europas innerhalb der Europäischen Union bewertet werden".

Heubner wies darauf hin, dass Nehammer "als Erster seiner europäischen Kollegen" die Möglichkeit habe, mit Orbán über dessen Rede zu sprechen. "Die Europäische Union wird gut daran tun, sich weiterhin so massiv wie möglich von den rassistischen Grundtönen Orbáns zu distanzieren und der Welt deutlich zu machen, dass ein Herr Orbán in Europa keine Zukunft hat", betonte der Vertreter der Holocaust-Überlebenden.

Orban spricht von "gemischtrassiger Welt"

Orbáns Sätze würden die Holocaust-Überlebenden "an die dunklen Zeiten ihrer eigenen Ausgrenzung und Verfolgung" erinnern, so Heubner. "Dass Viktor Orbán seine rechtspopulistische und antieuropäische Politik jetzt auch noch rassistisch unterlegt, ist für sie ein weiterer Beleg dafür, dass Orbán mittlerweile jeden Bezug zu den Werten der Europäischen Union bewusst ausradieren will." Zuvor hatte bereits der Verband jüdischer Gemeinden in Ungarn "ernste Bedenken" wegen Orbáns Rede angemeldet.

Orban hatte am Samstag in einer Rede vor Anhängern im rumänischen Kurort Baile Tusnad erklärt: "Es gibt nämlich jene Welt, in der sich die europäischen Völker mit den Ankömmlingen von außerhalb Europas vermischen. Das ist eine gemischtrassige Welt." Dem gegenüber gebe es das Karpatenbecken, wo sich europäische Völker wie Ungarn, Rumänen, Slowaken und andere miteinander vermischten. "Wir sind bereit, uns miteinander zu vermischen, aber wir wollen nicht zu Gemischtrassigen werden", hatte er betont.

Anspielung auf Gaskammern

Das unter anderem von den Nationalsozialisten genutzte Konzept, dass es unterschiedliche menschliche Rassen gibt, ist wissenschaftlich nicht haltbar und ist Teil rassistischer Weltanschauungen. Diese Ideologie schreibt ganzen Gruppen von Menschen aufgrund äußerlicher Unterschiede wie etwa der Hautfarbe fälschlich bestimmte Eigenschaften zu.

Orbán hatte in der Rede vor Vertretern der ungarischen Volksgruppe in Rumänien zu einem Rundumschlag gegen EU-Partner ausgeholt, indem er etwa die vermeintliche Faulheit südeuropäischer Staaten kritisierte. Dabei machte dabei er auch einen verstörenden Gas-Witz. "Da ist zum Beispiel der neueste Vorschlag der EU-Kommission, der besagt, dass jeder seinen Gasverbrauch verpflichtend um 15 Prozent senken soll. Ich sehe nicht, wie das erzwungen werden soll, obwohl es dafür deutsches Know-how gibt, von früher, meine ich", sagte er in offenkundiger Anspielung auf die Gaskammern des Nazi-Regimes.

Orbán übt keine Kritik an Putin

Für Empörung sorgten auch Orbáns Aussagen zum Ukraine-Krieg. So verglich er das EU-Sanktionsregime gegen Russland mit einem Auto, das vier leere Reifen hat und meinte, dass die Ukraine den Krieg niemals gewinnen könne. Beobachter wiesen darauf hin, dass Orbán in seiner Rede keine Kritik am Aggressor Wladimir Putin übte. Vielmehr schien er die Kriegsschuld dem deutschen Kanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden in die Schuhe zu schieben. Wäre nämlich Donald Trump der US-Präsident und Angela Merkel die deutsche Bundeskanzlerin gewesen, "wäre dieser Krieg niemals ausgebrochen", sagte Orbán laut der offiziellen Übersetzung der ungarischen Regierung. "Doch wir hatten kein Glück, und deshalb sind wir jetzt drin in diesem Krieg."

Nehammer hat bisher nicht zu Orbáns Rede Stellung genommen. Bei der Bekanntgabe des Besuchs am Donnerstag hob er den Gleichklang mit Orbán im Kampf gegen illegale Migration hervor und bezeichnete Ungarn als "wichtigen Nachbar und Partner". "Ich freue mich darauf, Viktor Orbán in Wien zu begrüßen", erklärte der ÖVP-Chef auf Twitter.

Vollath: "Völlig falsche Signale"

Die SPÖ-Europaabgeordnete Bettina Vollath kritisierte Orbáns Wien-Besuch am Dienstag scharf: "Orbán unter den derzeitigen Umständen mit offenen Armen zu empfangen und dabei gute Zusammenarbeit zu loben sendet völlig falsche Signale an den Rest der EU", erklärte sie. Die ungarische Regierung erschwere nicht nur ein geeintes Handeln gegen Russland. Auch in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zeige das Land zunehmend Mängel. "Aus gutem Grund wird seit April durch die EU-Kommission die Auslösung des Rechtstaatlichkeitsmechanismus gegen Ungarn geprüft. Ungarn bewegt sich immer weiter weg von demokratischen Werten."

Die jüngste rassistische Rede von Orbán zeige das erneut deutlich. "Ein europäisches Staatsoberhaupt, das nicht mit, sondern gegen Europa arbeitet, ist kein verlässlicher und guter Partner für Österreich", so Vollath. Für Österreichs Ansehen und die Zusammenarbeit innerhalb der EU sei es nicht förderlich, Ungarn als engen Verbündeten zu präsentieren. (APA, 26.7.2022)