Ansonsten ist das Burgenland politisch ja relativ fad geworden, gewissermaßen ein ganzjähriges Sommerloch. Hans Peter Doskozil und seine SPÖ sitzen – wenn sie denn einmal säßen – ruhig im Sattel einer absoluten Mehrheit. ÖVP, FPÖ und die Grünen mühen sich redlich, aber halt oppositionell. Das Tempo machen Doskozil und die Seinen. Und das ist hoch. Doskozils Lieblingswort sei, lästern Lästermäuler, das russische dawei. Auf Deutsch: Gemma, gemma!

Hans Peter Doskozil steht zwar im Herbst nicht zur Wahl, ist aber im Wahlkampf: Vor Ort unterstützt er Bürgermeister.
Foto: APA / Tobias Steinmaurer

Die SPÖ will das mit der Lokomotive Doskozil nun auch ins dörfliche Geschehen ziehen. Man betrachte, sagt Roland Fürst, der Landesgeschäftsführer, die Kommunalwahlen als "midterm elections". Zweieinhalb Jahre sind seit der Landtagswahl 2020 vergangen: Viel sei da weitergegangen. Zweieinhalb Jahre bleiben noch: Viel sei da noch weiterzubringen. "Die Themen, die Hans Peter Doskozil auf allen Ebenen forciert hat, werden auch die Gemeinderatswahlen prägen. Es sind ja eigentlich Kommunalthemen." Als da wären: "Leistbares Wohnen, Pflege, Ausbau des ambulanten und stationären Gesundheitswesens, Energiewende. Und in Zeiten rasanter Teuerung besonders wichtig: der Mindestlohn." Schon 134 von 171 burgenländischen Gemeinden zahlen ihren Beschäftigten zumindest 1700 Euro netto.

Grüßaugust

Es ist eine recht altmodische Wahl. Wie in den alten Zeiten stehen einander SPÖ und ÖVP gegenüber, mit all ihren versteckten Ähnlich- und offenen Gehässigkeiten. 2017 hat die SPÖ ein bisserl verloren (minus 1,8 Prozentpunkte), die ÖVP den Hauch von 0,3 dazugewonnen. Fürst prophezeit oder wünscht sich jedenfalls einen deutlichen Zugewinn. "Die Latte liegt bei den 46,2 Prozent, die wir 2012 hatten."

Im Schatten eines Politikers wie Hans Peter Doskozil, der in Umfragen jenseits der 50 Prozent schwebt, mag das ein wenig unambitioniert klingen. Aber Kommunalwahlen lassen sich halt nicht als jene One-Man-Show bestreiten, welche die "SPÖ-Liste Doskozil" so meisterhaft zu performen versteht. Hier muss, mehr noch als sonst, die Basis ins Laufen gebracht werden. Das wird spannend. Denn an der Basis ist der Landeshauptmann ja nicht bloß als Wortführer gefragt, sondern vor allem als Mitläufer. Despektierlich: als Grüßaugust bei allerlei Dorfevents.

A bisserl leutscheu

Das aber ist, hört man klagen, nicht gerade die Stärke des Landeshauptmanns. Der pflege, so wird hinter vorgehaltener Hand weitergeklagt, ein eher Hans-Peter-zentrisches Weltbild. Man hört, dass es sogar vorgekommen sei, dass rote Bürgermeister schwer einen Termin kriegen im LH-Büro. Der gute Draht zum Landeshauptmann: Für Bürgermeister und Bürgermeisterinnen und solche, die das werden wollen, ist das ein wertvolles Argument.

Das Burgenland besteht aus 171 politischen Gemeinden und diese aus 328 Katastralgemeinden. Die vornehmste Aufgabe eines burgenländischen Landeshauptmannes ist es, überall gewesen zu sein und den allermeisten die Hand gedrückt zu haben. Es wird nicht kritisiert, dass Doskozil die hohe Aufgabe noch nicht geschafft hat. Sondern dass er das nicht einmal in Angriff genommen hat. "Fast hat man den Eindruck, er wär a bisserl leutscheu", sagt ein alter, g’standener roter Bürgermeister zum STANDARD.

Basis-Matschkern

Tatsächlich hat sich Hans Peter Doskozil viele unter eigenen Ortschefs – 84 sind das zurzeit – nicht zu Freunden, sondern zu Parteifreunden gemacht. Im Überschwang des eigenen Wollens ist ihm zum Beispiel die Gemeindeautonomie kein besonders hohes Gut. Bemerkenswert en passant hat er schon im Vorjahr den Plan verkündet, die Kommunalverbände – Wasser, Abwasser, Müllentsorgung – in Landeshand nehmen zu wollen. Mit den Verbänden freilich auch deren Vermögen. Nicht nur die Opposition, auch so mancher parteifreundliche Ortschef erkennt darin das Eigentliche des Vorhabens. Auf der anderen Seite steigen aber auch die kommunalen Ausgaben durchs Doskozil’sche Wollen. Nicht jeder rote Bürgermeister war ein glühender Vertreter des Mindestlohns. Denn der muss ja aus Eigenem bestritten werden. Druck von Landesseite half beim Überlegen. Aber auch beim Basis-Matschkern.

Moral

Die Ortsgruppen laufen zweifellos ums eigene Leiberl. Aber beim Wirt, wo man aus dem eigenen Herzen für gewöhnlich keine Mördergrube macht, können solche Erfahrungen sich leicht zum Defätismus verhärten. Im Sport spricht man, was das betrifft, von "Moral".

Im politischen Burgenland von "Marz". Das ist ein kleines Dorf, das einst regiert wurde von einem der großen, roten, stolzen Bürgermeister. Um die Jahrhundertwende wurde es – man sagt, aus voreiliger roter Siegestrunkenheit – schwarz. 2012 verpasste die SPÖ-Ortsgruppe sogar den Nennschluss und durfte nicht antreten. Wer den Schaden hat, hat klarerweise auch den Spott. Darum gibt es seither ausdrückliche Marz-Erinnerungen: Nennschluss ist diesmal Freitag, der 5. August, 13 Uhr. Sine tempore! Punkt eins! (Wolfgang Weisgram, 29.7.2022)