Jan Marsalek wird weltweit gesucht. Seit zwei Jahren ist der Ex-Wirecard-Manager auf der Flucht. Vermutet wird, dass er in Russland lebt.

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Wien – Jan Marsalek gibt Rätsel auf. Seit zwei Jahren ist der Ex-Manager von Wirecard auf der Flucht. Er soll damals im Juni 2020 das Unternehmen mit den Worten verlassen habe, sich auf die Suche nach jenen 1,9 Milliarden Euro zu machen, die letztlich in der Bilanz fehlten und das Kartenhaus Wirecard zum Einsturz brachten. Vermutet worden war das Geld in Asien. Seither fehlt jede Spur – von Marsalek und den Milliarden. Marsalek wir per internationalem Haftbefehl gesucht.

Vermutet wird, dass Marsalek sich in Russland aufhält und dort unter dem Schutz des Geheimdiensts steht. Das würde auch passen, denn einst machte Marsalek Schlagzeilen damit, dass er die Formel des russischen Nervengases Nowitschok kannte und bei Treffen daraus kein Hehl machte. An die Formel soll er über seine Kontakte im Außenministerium gekommen sein. Auch zum einstigen BVT pflegte Marsalek gute Kontakte.

Neuer Name, neue Pässe

Ein neuer Name könnte dabei helfen, den Flüchtigen zu verbergen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Name oder Pass in Marsaleks Leben eine Rolle spielen. Als er im Juni 2020 die Flucht ergriff, soll ihm das auch mit einem gefälschten Pass (einer von vielen) gelungen sein. "Die Presse" berichtet nun über diverse Hinweise, die Marsaleks Aufenthalt in Russland bestätigen sollen. Bilder und Pässe sollen das dokumentieren. An der Recherche beteiligt waren auch die "Süddeutsche Zeitung" und das Dossier-Center aus London, das dem ehemaligen Oligarchen und Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski gehört.

Den Bildern und Videos zufolge soll Marsalek sich in Russland relativ frei bewegen, er soll in Restaurants gesehen worden sein oder bei Treffen mit Frauen. Seinen ausschweifenden Lebensstil soll er unter neuer Identität in Russland weiterführen. Es soll zwei Pässe geben, von denen die involvierten Journalisten ausgehen, dass Marsalek diese benutzt, wie im Podcast der Presse zu hören ist.

Pass aus Russland und Österreich

In einem Pass soll sich Marsalek als russischer Staatsbürger ausgeben, der in München geboren ist. Dieses Dokument lautet auf den Namen German Bazhenov (mit Bart). Bei der Überprüfung dieses Passes durch "Süddeutsche" und Dossier-Center wurde jedoch festgestellt, dass sich dieser Name nicht in jener Datenbank befindet, bei der man Passdaten abfragen kann. Die Passnummer selbst existiert aber – sie soll bis 2018 einer russischen Abgeordneten gehört haben. Mit diesem Pass soll Marsalek sich viel im öffentlichen Raum bewegen.

Der zweite Pass soll ein österreichischer sein, auf den Namen Max Mauer (ohne Bart), ausgestellt in Bregenz, Geburtsort St. Gallen. Die Überprüfung zeigt, dass es diese Passnummer nicht gibt. Dieser Pass ist also gefälscht. Das Geburtsdatum ist in beiden Pässen gleich – Marsalek ist mit diesen Pässen um zwei Jahre älter.

Acht Pässe werden Marsalek nachgesagt. Ausgereist ist er mit einem Diplomatenpass aus Grenada – dort hatte Wirecard ein Projekt. Ein Pass war wohl inkludiert.

Verbindung in den Geheimdienst

Geflüchtet ist Marsalek im Juni 2020 von München über Österreich (Bad Vöslau) nach Minsk, dort dürfte er in einer VIP-Lounge eingecheckt haben. Es gibt Fotos von Marsalek und seinem besten Freund bei Partys – auch von früher bei Wirecard-Veranstaltungen. Dieser Freund dürfte ein russischer Spion sein und auch in Marsaleks Villa in München ein- und ausgegangen sein. Von Minsk soll Marsalek mit einer weiteren Identität nach Russland geflüchtet sein. Dort verliert sich seine Spur.

Am 25. Juni 2020 meldete Wirecard Insolvenz an. Tausende Anleger verloren damit ihr Geld. Marsalek werden gewerbsmäßiger Bandenbetrug, besonders schwere Untreue und Geldwäsche vorgeworfen. Markus Braun, der mit Marsalek Wirecard leitete, sitzt seit zwei Jahren in Untersuchungshaft. Anklage wurde erhoben, der Prozessbeginn ist für Herbst angesetzt. Es gilt die Unschuldsvermutung. (bpf, 26.7.2022)