Natürlich geht das. Man muss halt ein bisserl mitdenken. Oder umdenken. Oder sich anpassen. Und wenn Sie für sich entscheiden, dass "anpassen" in Ihrem Fall ohne Vorsilbe auskommt, Sie also passen, ist das auch okay.

Weil es Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden ist. Und ich jetzt einfach unterstelle, dass Sie nicht beruflich, sondern aus Spaß an der Freude draußen Sport machen: Wenn Sie da bei Temperaturen wie jenen der vergangenen zweiten Wochenhälfte sagen, dass Sie jetzt und heute sicher nicht laufen (oder Rad fahren oder was auch immer) gehen werden, weil sich Ihr Kreislauf schon beim Gedanken an Bewegung verabschiedet – dann haben Sie recht. Punkt.

Foto: Tom Rottenberg

Nur heißt das halt nicht, dass das auch für andere gelten muss – egal ob in der Hobetten- oder Wettkampfliga. Oder gar, dass Sport, Anstrengung unter solchen Bedingungen per se ungesund oder gar gefährlich ist. Es also "grob fahrlässig", "einfach nur dumm", "unverantwortlich" oder gar "Wahnsinn" ist, wenn man da jetzt rausgeht und sich bewegt: Das ist es nämlich nicht – ebenso wenig wie im tiefsten Winter. Da bekommt man übrigens ziemlich genau die gleichen Kommentare und (angeblich) gutgemeinten Warnungen zugeschickt.

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Mutmaßlich (irgendwann prüfe ich das in diesem Leben noch nach, versprochen) kommen diese Sport-Warnungen und Sicher-nicht-Kommentare im Sommer und im Winter eh von den gleichen Leuten. Und noch mutmaßlicher handelt es sich dabei um Menschen, die auch in jenem Temperaturfenster, in dem sie Sport für zulässig halten, immer noch ein, zwei oder drei Gründe finden, wieso gerade sie auch und gerade jetzt nix machen werden: zu früh, zu spät, zu windig, zu dunkel, zu mitten-am-Tag, zu knapp vor oder nach dem Essen, zu … und so weiter.

Sicher weiß ich das natürlich nicht. Aber ich habe da eine Ahnung – und die fußt auf Erfahrung. Positiv formuliert: Wer einmal erlebt hat, wie sich Perspektiven und Möglichkeiten in alle Lebensbereichen weiten, wenn man die Komfortzone zu verlassen wagt, wird es wieder tun. Mit Hirn – und Begeisterung.

Anders gesagt: Wer will, findet Wege – wer nicht will, hat Ausreden.

Foto: Tom Rottenberg

Wobei natürlich eines stimmt: Bei 35 Grad in der prallen Sonne so laufen zu gehen wie an einem lauen Frühlingsnachmittag, wäre – nein: ist – natürlich idiotisch. Aber das ist eine Binsenweisheit.

Und im Grunde stammen ja auch jene Tipps, die Sportmediziner:innen, Trainer:innen (zu beiden später mehr) oder Sport-Newsletter – von der "New York Times" bis hin zu den Veranstaltern der Ironman-Serie alle Jahre wieder zum Thema – Jahr für Jahr mantraartig ausschicken, meist aus der Welt der Binsen. Und bevor Sie jetzt die Augen verdrehen: "Binsenweisheit" bedeutet keinesfalls, dass die Botschaft irrelevant, falsch oder unwichtig ist – ganz im Gegenteil!

Und: Nein, grundlos werden sie (auch hier) wahrlich nicht wiederholt.

Foto: Tom Rottenberg

Was mich an der "Laufen bei Hitze"-Diskussion immer wieder erstaunt bis verblüfft, ist da lediglich der Umstand, dass man (angeblich) vernünftigen und mit Hausverstand ausgestatteten Menschen tatsächlich all das sagen muss. Etwa dass Wasser gegen Überhitzung und Dehydration und Schatten gegen Sonnenstich hilfreich ist. Oder das an Tagen, an denen schon der Weg zur U-Bahn zach ist, statt 110 auch 60 Prozent genügen können. Und: Wann wurde der Satz "Hör auf deinen Körper" eigentlich aus dem Buch der klaren Botschaften gestrichen?

Foto: Tom Rottenberg

Auch dass man dann, wenn man wegen der dem Aufheizen der Stadt tagsüber folgenden Nichtabkühlung in der Nacht schlecht oder gar nicht schläft, das eigene körperliche Leistungs- und Anforderungslevel nicht bloß runterschrauben sollte, sondern muss – im Extremfall eben auf null –, ist eigentlich ein Allgemeinplatz: Wer gesund ist und mitdenkt, der oder die weiß das eh. Sollte man meinen. Und verhält sich dementsprechend.

Reduziert also Umfänge und Intensitäten. Meidet Hitzeinseln. Sucht möglichst die Nähe von Wald und Wasser. Oder verlegt das Training auf Tageszeiten, in denen die Temperaturen noch erträglich sind.

Aber er oder sie wird eines nicht machen: anderen apodiktisch – am besten noch aus der Ferne – sagen, dass man "jetzt" keinen Sport machen kann oder darf. Oder sich von solchen Nasen das Sporteln verbieten lassen.

Foto: Tom Rottenberg

Das gilt nicht nur für Elite- und Spitzensportler:innen – sondern für alle. Auch für jene Menschen, die Sie auf den vorangegangenen Bildern schwitzen gesehen haben: Die Fotos entstanden vergangenen Dienstag am LAZ-Platz im Wiener Prater. Im Umfeld jenes wöchentlichen Trainings, das meine Vereinskumpan:innen und ich nicht ohne Grund "Sterben mit Anlauf" nennen.

Klar fluchen wir da ein bisserl (okay: sehr viel) mehr und lauter, wenn die Sonne runterprügelt wie an diesem Tag. Aber Grund, gar nicht zu kommen, ist das Wetter keiner. Wenn man, wie schon gesagt, pumperlgesund ist – und seinen Körper und die eigenen Grenzen kennt und einschätzen kann.

Foto: Tom Rottenberg

Klar: Einige Kolleg:innen verlegten das Training in den frühen Morgen. Manche auf den späten Abend. Andere entschlossen sich, ihre Intervalle indoor, also am Laufband daheim oder im Fitnesscenter, runterzuspulen.

Alles schön, gut und legitim.

Nur gehöre ich halt zu jener Spezies Läufer, die gerade bei solchen Abschießeinheiten die Motivation und den Rückhalt der Gruppe schätzt. Auch wenn ich da meist mein eigenes, weil langsamstes "Gruppetto" bin, ist der – sagen wir mal – "Austausch" auch wichtig: Wenn die anderen hitzebedingt nur 80 Prozent schaffen, tun die eigenen 75 nicht ganz so weh.

Foto: Tom Rottenberg

Ein bisserl komplexer ist das allerdings bei geführten Laufgruppen: Dort geht es ja nicht nur darum, Laufmotivation und -kompetenz zu vermitteln, sondern auch darum, die Balance zwischen Spaß und Belastung zu wahren.

Wenn das Thermometer zu Mittag auf 33 Grad steht, wäre es da die logischste Sache der Welt, spontan umzuplanen: "Leute, wir treffen uns heute nicht wie sonst immer um 16.30, sondern erst um 21 Uhr. Oder morgen um halb sieben in der Früh."

Nur gilt beim Laufen das Gleiche wie im Alltag: Je größer die Gruppe, umso schwieriger wird es, flexibel zu agieren. Also gilt Plan B: Man läuft zur gewohnten Zeit – reduziert aber Umfänge, Tempo und auch sonst so ziemlich alles. Bis auf den Spaß, versteht sich: "Hydrantenhopping" nannte eine Teilnehmerin das letzte Woche dann im Nachhinein.

Foto: Tom Rottenberg

Sie sagte das voll Stolz auf sich und die (nachvollziehbarerweise deutlich reduzierte) Schar der zum Training angetretenen Kolleg:innen: "Gefühlt alle haben Corona, die andere Hälfte ist im Urlaub – und vom Rest hat bei 37 Grad nicht jeder Lust zum Laufen", gab meine Co-Trainerin Silvia allen, die nachher fragten: "Wie viel waren denn da?", eine der Hitze angepasste Rechenaufgabe.

Egal. Denn dass einem einstelligen Grüppchen die Hauptallee praktisch alleine gehört, kommt an einem späten Mittwochnachmittag eher selten vor. "Okay, wir sind plemplem – aber es macht Spaß."

Foto: Tom Rottenberg

Aber wir waren ja auch nur kurz am "Strip": Im Wald ist es nämlich spürbar kühler. Abgesehen davon, dass wir uns auf "Wassersuche" machten. Nicht nur nach den Trinkbrunnen (falls es jemand noch nicht weiß: Wiens Trinkbrunnen sind in einer sehr brauchbaren Karte online abrufbar), sondern auch nach Wasserspielen.

Davon gibt es nämlich durchaus einige.

Diese hier sind relativ neu – unter dem Buwog-Turm am Donauufer.

Foto: Tom Rottenberg

Hitze ist aber auch ein guter Grund, einmal etwas anderes auszuprobieren: Vom Prater an die Donau ist es nur ein Katzensprung. Früher hätte ich unter der Tangentenbrücke da ohne schlechtes Gewissen den Radweg genommen. Mittlerweile sind auf diesem viel zu schmalen Streifen aber mehr als 10.000 Radler:innen pro Tag unterwegs. Da wäre ich als Läufer schon alleine ein echtes Problem – geschweige denn mit Gruppe. Aber seit man durchs Buwog-Haus durchkann, ist auch der Fußgängersteg unter der Tangente halbwegs gut erreichbar. Blöd nur, dass auch dorthin mittlerweile immer mehr Radfahrer:innen ausweichen.

Foto: Tom Rottenberg

Was im Hitze-Kontext aber wichtiger ist: Wenn es heiß ist, laufen wir schwimmen. Kurz nur – aber doch. Und auch wenn von der Frische schon auf dem Rückweg, wenn wir wieder auf der Hauptallee sind, kaum mehr etwas übrig ist, macht es doch einen Unterschied, ob man durchgehend gelaufen ist – oder zwischendurch im Wasser ein wenig Abkühlung gefunden hat.

Außerdem gibt es noch einen Mehrwert: Die meisten Menschen haben nie etwas anderes als "Köpfcheninderhöh'"-Schwimmen erklärt bekommen. Da – wenn auch nur für ein paar Minuten – in andere Bewegungsmuster reinzuschnuppern öffnet Augen. Und macht Lust auf mehr: Ich weiß von Laufgruppen, bei denen derzeit hitzebedingt die Basisversion von "Swimruns" auf dem Programm steht: Mit Schuhen ins Wasser springen und nach 50 Metern wieder rennen macht nämlich auch ohne Spezialausrüstung Spaß.

Foto: Tom Rottenberg

Wie ich die Hitze der Vorwoche in meinem eigenen Trainingsalltag verarbeite? Ganz einfach: Zum einen bin ich früher dran – und damit eben auch früher fertig. Signifikant früher – weil jede Viertelstunde, die ich später und länger draußen bin, wehtut. Aber das Rad erfinde ich damit wahrlich nicht neu: Wer dieser Tage um sechs Uhr in der Früh über die "gelbe Brücke" (also den Steinitzsteg, die Rad- und Fußgängerbrücke auf die Donauinsel) radelt oder rennt, ist alles andere als alleine unterwegs.

Foto: Tom Rottenberg

Und wer lange vor sieben in der Früh über die Staumauer bei Greifenstein rollt oder läuft, teilt die hammerschöne Lichtstimmung dieser da zwar schon warmen, aber eben noch erträglichen Tage bereits mit einer erklecklichen Vielzahl anderer Leute. Mit Nomalos, nicht "Freaks": Da sind Menschen wie Sie und ich unterwegs. Menschen, die nebenbei – hier eben danach – auch noch ganz normale Jobs, ganz normale Leben haben.

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Und die dann wohl ähnlich wie ich gegen 9 oder 9.15 am Vormittag beim ersten Meeting des Tages nicht noch immer, sondern – wenn überhaupt – schon wieder müde sind. Die sich aber im Gegensatz zu den Kolleginnen und Kollegen später, in der drückenden Nachmittagshitze mit einer Frage nicht mehr herumplagen müssen. Der, ob und, wenn ja, wie sie es schaffen sollen, sich heute überhaupt noch zu bewegen: Das haben wir schon – und es genossen.

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Falls Ihnen – Binse hin, jährliche Botschaft her – hier die fachlich-profunde Information und die Expertise zum Training bei Hitze fehlt: Keine Sorge, es gibt sie. Als Link.

Denn schon 2018 erklärte der Sportmediziner Robert Fritz an dieser Stelle in seinen "10 Sommerlaufgeboten", wie sich Hitze und Sonne auf den bewegten Körper auswirken – und wie man im Sommer vernünftig und mit Augenmaß trainiert. Und vergangene Woche widmete mein Coach Harald Fritz dem Thema "Training bei Hitze" seinen Video-Newsletter für den WeMove-Laufschuhladen.

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Wirklich Überraschendes werden Sie da aber ebenso wenig finden wie in den zahllosen Hinweisen und Tipps auf und in 1.001 Laufplattformen und -magazinen.

Nicht, wenn Sie das tun, was Ihnen der gesunde Hausverstand ja ohnehin sagen sollte. Also hören Sie auf Ihren Körper – und gehen Sie es gegebenenfalls lockerer, im Schatten und wenn möglich viel früher oder sehr spät an.

Aber vor allem: Legen Sie es so an, dass Sie es genießen – dann passt nämlich alles andere ziemlich sicher auch. (Tom Rottenberg, 26.7.2022)

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