Ilija Trojanow hielt die Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele in der Felsenreitschule.

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Salzburg – Eine politische Rede war angekündigt. Und politisch war die Rede von Ilija Trojanow auch. Kontroversiell war sie aber nicht. Genauso wie seine Vorredner, Festspielpräsidentin Kristina Hammer, Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayr (Grüne), reflektierte der in Wien lebende Autor mit bulgarischen Wurzeln das komplexe Verhältnis von Macht und Kunst:

"Seit Kriegsausbruch sprechen wir die Sprache des Krieges. Antworten auf jede Frage mit einem entschiedenen Ja oder Nein." Ambivalenzen, Schattierungen, Nuancen gingen dagegen verloren. Dagegen stellte Trojanow bei seiner vormittäglichen Festrede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele die "Vieltönigkeit der Kunst".

Der Beifall des Bundespräsidenten, zahlreicher Vertreter der Bundesregierung und natürlich der anwesenden Künstlerinnen und Künstler war ihm damit in der Felsenreitschule sicher. Seit Monaten wird an der Salzach (und weit darüber hinaus) über den Umgang mit russischen Kunstschaffenden und problematischen Sponsoren diskutiert. Zumindest in Bezug auf einen, den Dirigenten oder, wie Trojanow ihn bezeichnete, den "Großgrundgewinnler" Valery Gergiev, fand der Autor und Essayist allerdings keine Zwischentöne: "Gefördert von den mafiösen Banken seines Landes" und "der Moskauer Regierung", bediene sich dieser an seinem eigenen Wohltätigkeitsfond. Einen "Lügner und Heuchler" nannte ihn Trojanow mit den Worten Alexei Nawalnys. Den Boykott von Tschaikowski, wie dies in Polen, Wales oder der Ukraine geschehe, kommentierte Trojanow dagegen nur mit einem Satz: "Der Krieg verwirrt das Denken."

Leidenschaftlicher Vortrag

Andere russische Kulturschaffende wie etwa den umstrittenen greco-russischen Dirigenten Teodor Currentzis, der am Abend die Eröffnungspremiere dirigierte, sprach Trojanow nicht an. Er fällt wohl in jene "Grauzone", von der Kulturstaatssekretärin Mayr sprach und die von der Kunst bewahrt werden müsse: "Entscheidungen in Schwarz und Weiß sind der Stoff des Krieges," sagte sie.

Reflexionen über die Antipoden Kunst und Krieg machten den Großteil von Trojanows leidenschaftlich vorgetragener Rede aus. Kunst werde fast nie vom Krieg inspiriert, "sondern dem Krieg auf mühsamste Weise abgerungen: Die Ästhetik ist ein Opfer mörderischer Intoleranz." In der Schule werde Caesars De bello Gallico gelesen, dabei handle es sich bei diesem Text um "eine Apologie des Massenmordes".

Nationalismus führe zu Krieg, doch warum werde diese Lehre immer wieder vergessen? Vielleicht weil der Materialismus dabei auch eine traurige Rolle spiele? "Der Grund für die systematische Gier unserer Zeit", so Trojanow, liege unter der Erde, und er sprach dann den Bergbaukonzern Solway an, der das Kinder- und Jugendprogramm der Salzburger Festspiele in den vergangenen Jahren förderte.

"Richtig und richtungsweisend"

Mittlerweile wurde das Sponsoring aufgelöst, was Trojanow ausdrücklich begrüßte: "Nur wer glaubt, es wäre akzeptabel, die Sparkasse zu überfallen, um Fidelio auf die Bühne zu bringen, kann so tun, als wäre Sponsoring wertneutral." Das Vorgehen von Solway in Guatemala, wo dem Konzern Menschenrechts- und Umweltverstöße vorgeworfen werden, beschrieb Trojanow als "Okkupationswirtschaft" und erzählte von seinen Erlebnissen in Sierra Leone, wo der Abbau von Diamanten zu wirtschaftlicher Stagnation, Verarmung und einem langen Bürgerkrieg geführt habe: "Wenn Wohlstand nur entstehen kann, indem Mitmenschen geknechtet werden und Natur zerstört wird, dann wird es höchste Zeit, das System zu ändern, nicht nur die Sponsoringregeln," so Trojanow.

Als "richtig und richtungsweisend" beschrieb der Schriftsteller den Umstand, dass die Festspiele "eine unabhängige Untersuchung" über Solway in Auftrag gegeben haben. An diesem Punkt irrte der Festredner aber. Eine "umfassende interne und externe Untersuchung" wurde von Solway selbst initiiert: "auch auf Wunsch der Festspiele". Eine Nuance, die nicht ganz unwichtig ist.

Keine Kapitulation der Kunst

Neben Bundespräsident Alexander Van der Bellen sprach auch die Festspielpräsidentin Kristina Hammer. Sie nahm bei ihrer ersten Eröffnung ("Ich darf mich kurz vorstellen: Ich bin die Neue") in ihren Begrüßungsworten auf Ukraine-Krieg, Pandemie, Energie- und Klimakrise Bezug. "Wir dürfen der Kunst nicht nur weiter ihren Platz einräumen – wir sollten und müssen ihr gerade angesichts dieser Weltlage besonders viel Raum zur Entfaltung geben", sagte Hammer. "Wir brauchen Kunst. Weil sie Geistes- und Herzensbildung in einem ist – und vermutlich das einzige Instrument, das unsere Individualität und unseren Gemeinschaftssinn gleichermaßen stärkt."

"Auf der ganzen Welt leiden Menschen, hungern und sterben. Die Salzburger Festspiele finden statt. Trotzdem", sagte Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP). Man könne sich nicht heraushalten. "Nein, wir können und müssen beides, Anteil nehmen und helfen, so gut und viel wir vermögen, aber auch uns selbst verteidigen, unsere Wertehaltungen, das, was uns ausmacht." Denn es gelte: "Bei aller Betroffenheit: Die Kunst darf vor dem Krieg nicht kapitulieren!" Gleichzeitig müsse "unmissverständlich betont werden: Diese Krieg fördernden oder rechtfertigenden Künstlerinnen und Künstler haben ohne Zweifel keinen Platz im Friedenswerk der Salzburg Festspiele und ihrer humanistischen Sendung."

"Es geht nicht um unangebrachte Ausgelassenheit, sondern um Reflexion. Es geht um Kultur als Gegenmodell zur Barbarei. Wir wollen die Stille der Ohnmacht mit Kunst füllen und Perspektiven in einer scheinbar so perspektivenlosen Zeit entwickeln", sagte Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne). "Wir können die Welt nur gemeinsam zum Besseren verändern. Dabei sind es die Künstlerinnen und Künstler, die eine wichtige Aufgabe übernehmen: Sie entfalten ein Bild der menschlichen Möglichkeiten, sie zeigen, wie ein Miteinander gelingen kann. Es ist die Kunst, die uns darin stärkt, die Idee einer friedlichen Welt zu leben." (Stephan Hilpold/APA, 26.7.2022)