Autofahren kommt in Österreich teurer als in den Nachbarländern – neuerdings.

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Wenn Urlauberinnen und Urlauber in diesen Wochen mit dem Auto verreisen, zum Beispiel nach Italien oder Deutschland, dann wundern sie sich häufig: Tanken war doch im Ausland stets teurer als in Österreich. Heute aber ist es umgekehrt: Österreichs Tankstellen haben jene in den Nachbarländern preislich deutlich abgehängt.

Die Verwunderung der Reisenden ist gerechtfertigt, wie eine Datenauswertung des STANDARD zeigt. In Österreich bezahlt man mehr für Benzin und Diesel als im EU-Durchschnitt – zum ersten Mal seit mindestens einem Jahrzehnt.

Die Auswertung basiert auf den Daten im wöchentlichen "Oil Bulletin" der Europäischen Kommission in Brüssel, in dem Tankstellenpreise sämtlicher EU-Staaten miteinander verglichen werden. Es sind Preise inklusive aller Steuern und Abgaben.

Stets lagen Österreichs Tankpreise im unteren EU-Drittel

Es zeigt sich: Traditionell lag Österreich in Sachen Spritpreise im unteren Drittel der EU-Staaten. Diesel und Superbenzin kosteten hierzulande fünf bis 15 Prozent weniger – bei Benzin war der Unterschied ausgeprägter als bei Diesel. Noch Ende Februar dieses Jahres beispielsweise zahlte man in Österreich für Superbenzin durchschnittlich 12,7 Prozent weniger als im EU-Schnitt; bei Diesel waren es minus 6,9 Prozent. In Euro-Beträgen heißt das, dass der Liter Treibstoff hierzulande um zehn bis 20 Cent günstiger kam.

Bei Benzin ging es im Juni steil bergauf; seither liegt der Preis in Österreich über dem EU-Durchschnitt – erstmals seit dem Jahr 2013.

In den letzten Monaten jedoch haben Österreichs Spritpreise eine Aufholjagd hingelegt. Anfang Juni schließlich hat sich der ein Jahrzehnt alte Trend umgekehrt: Treibstoff kostete in Österreichs erstmals mehr als in der Rest-EU. Anfang vergangener Woche zahlte man für Diesel 5,7 Prozent mehr als im EU-Schnitt; bei Superbenzin waren es 5,1 Prozent.

Woher kommt das? Es gibt zwar gute Gründe für die Preisanstiege an den Tankstellen: Man denke an die unsichere geopolitische Lage und die Angst vor Boykotten seitens des Putin-Regimes in Russland. Aber diese Faktoren sind keine österreichischen Spezifika, sondern wirken sich international und europaweit aus. Woher aber rührt die Tatsache, dass die Preise in Österreich deutlich stärker steigen als anderswo?

Preisdämpfende Maßnahmen in anderen Staaten

Laut Expertinnen der Autofahrerorganisation ÖAMTC und des Fachverbands der Mineralölindustrie der Wirtschaftskammer wäre da zunächst einmal die Tatsache, dass viele Staaten der EU preisdämpfende Maßnahmen in unterschiedlichster Ausgestaltung eingeführt haben, die sich an den Tankstellen auswirken. Vergleichbare Schritte erfolgten in Österreich – zumindest bisher – nicht. Deutschland beispielsweise hat die Energiesteuer gesenkt, das Äquivalent zur österreichischen Mineralölsteuer. In Italien gibt es einen staatlich verordneten Tankrabatt. Ungarn, Slowenien und Kroatien wiederum setzen auf Preisdeckel in unterschiedlicher Ausgestaltung: In Ungarn etwa gilt er nur für Inländer, in Kroatien nur abseits der Autobahnen. All diese Maßnahmen drücken die durchschnittlichen EU-Tankpreise – und treiben im Gegenzug die österreichischen in die Höhe.

Der Dieselpreis hat in Österreich ebenfalls angezogen und den EU-Durchschnitt überholt.

Dazu kommt ein Unfall in der OMV-Raffinerie in Schwechat von Anfang Juni, der sich auf die Preise auswirkt. Die Anlage läuft seither lediglich mit einem Bruchteil ihrer üblichen Kapazität; der Schaden wird voraussichtlich erst im Herbst behoben sein. Die teilstaatliche OMV versorgt gewöhnlich zu 50 Prozent den österreichischen Markt. Aufgrund des Unfalls müssen nun große Mengen – statt dass sie einfach von Schwechat aus über Österreich verteilt werden – mühsam auf anderen Wegen herangekarrt werden: beispielsweise per Tankzügen aus Deutschland. Hedwig Doloszeski, Geschäftsführerin des Fachverbands der Mineralölindustrie, spricht von "unglaublichen Logistikproblemen", die aus dem Unfall resultieren und die Tankpreise in Österreich hochtreiben würden.

Bundeswettbewerbsbehörde untersucht

Aber das Ganze hat auch eine politische Komponente. Vergangenen März aktivierte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) per Sachverhaltsdarstellung die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) wegen möglicherweise ungerechtfertigter Preisanstiege an Österreichs Tankstellen. Die Behörde befragte daraufhin Manager bei internationalen Mineralölkonzernen mit Tankstellen in Österreich, beispielsweise OMV, Eni und Shell.

Das durchaus brisante Ergebnis eines BWB-Zwischenberichts von Anfang Juli: Die sogenannten Bruttoraffinierungsmargen, also im Wesentlichen die Profite der Raffinerien, haben sich gegenüber der Zeit vor dem Beginn des Krieges in der Ukraine verdreifacht. "Die Erdölkonzerne müssen sich jetzt erklären", meinte Kogler nach Bekanntwerden des Berichts. "Warum sind diese Bruttomargen so hoch? Bedeuten diese Margen, dass von einigen wenigen Konzernen überproportional hohe Gewinne realisiert werden?" Laut BWB ist Mitte bis Ende August mit einem Endbericht zur Causa zu rechnen. (Joseph Gepp, Michael Matzenberger, 26.7.2022)