Fast schon ein Viertel Jahrhundert kreist die ISS über unseren Köpfen. Ab 2024 tut sie es ohne die Beteiligung von Russland.
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Nun dürfte es endgültig sein: Russland will sich nach dem Jahr 2024 aus dem Kooperationsbetrieb der Internationalen Raumstation (ISS) zurückziehen, lässt also die aktuell gültige Vereinbarung auslaufen. Eine Verlängerung bis zum Jahr 2030, wie Anfang des Jahres noch angedeutet worden war, ist damit wohl vom Tisch.

"Natürlich werden wir alle unsere Verpflichtungen gegenüber unseren Partnern erfüllen", sagte neue Chef der Raumfahrtbehörde, Juri Borissow, am Dienstag während eines im Fernsehen übertragenen Treffens mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Aber die Entscheidung, die Station nach 2024 zu verlassen, ist gefallen."

Eigene russische Raumstation

Borissow war von Putin zuvor als Nachfolger von Dmitri Rogosin eingesetzt worden. Rogosin hatte die Zusammenarbeit mit den USA auch angesichts politischer Spannungen zwischen Moskau und Washington im Zuge des Krieges in der Ukraine zunehmend in Frage gestellt. Borissow sagte, dass bis zum Ausstieg mit dem Bau einer russischen Raumfahrtstation begonnen werden solle.

Rogosin hatte zuvor nicht ausgeschlossen, das russische Modul von der ISS abzukoppeln und eigenständig weiter zu betreiben. Dabei deutete er auch eine mögliche Nutzung der Station zur militärischen Erdbeobachtung an. Moskau hatte bereits im Vorjahr über Pläne zum Bau einer eigenen Raumstation berichten lassen.

USA überrascht

Die USA wurden nach eigenen Angaben nicht über den Entschluss Moskaus informiert. Die Nasa habe noch keine "offizielle Stellungnahme" von Russland erhalten, sagte die für die ISS zuständige Nasa-Vertreterin Robyn Gatens. Washington befürworte keineswegs einen Rückzug der Russen von der ISS: "Sie waren gute Partner, wie alle unsere Partner, und wir wollen die Partnerschaft fortführen, um den Betrieb der Raumstation bis zum Ende des Jahrzehnts fortzusetzen."

Nach Ansicht von Beobachtern wird der Abschied Russlands von der ISS einen Rückschlag für den Raumfahrtsektor des Landes bedeuten. Er gehe von einer "mehrjährigen Pause" für bemannte Flüge aus, sagte der Weltraumexperte Witali Jegorow. Russland sei weit davon entfernt, eine eigene Infrastruktur im Orbit zu haben. "Es wird weder 2024, noch 2025, noch 2026 eine russische Raumstation geben." Der Aufbau eines solchen Außenpostens im All würde "selbst mit der großzügigsten Finanzierung mindestens zehn Jahre dauern".

Roskosmos-Chef Borissow räumte ein, dass die russische Raumfahrtindustrie sich in einer "schwierigen Situation" befinde. Er werde sich darum bemühen, "die Messlatte höher zu legen" und die russische Wirtschaft mit raumfahrtbezogenen Dienstleistungen wie Navigation, Kommunikation und Datenübertragung zu versorgen.

24 Jahre alt und schon etwas marode

Seit 24 Jahren zieht die Internationale Raumstation über unseren Köpfen ihre Kurven. Als Grundstein platzierte am 20. November 1998 eine russische Proton-Schwerlastrakete das Lager- und Antriebsmodul Sarja im Orbit. Zwei Wochen später folgte das Verbindungsmodul Unity, ins All transportiert von der Space-Shuttle-Mission STS-88. Dieser auch Node 1 genannte Knoten stellt die Verbindung zwischen dem US-amerikanischen und dem russischen Teil der Station dar.

12 Jahre später, im Februar 2011, dockte das MPLM (Multi-Purpose Logistics Module) Leonardo an, für lange Zeit das letzte unter Atmosphäre setzbare Modul. Als letztes großes Bauteil wurde im selben Jahr der Teilchendetektor AMS zur Untersuchung von kosmischer Strahlung an der Raumstation installiert. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Station aus 15 unter Druck stehenden Modulen, einige weitere hätten noch folgen sollen, darunter auch das Labormodul Nauka, das erst im Vorjahr angedockt wurde.

Technisch ist die ISS nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. Zuletzt mehrten sich Pannen und Probleme.
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Fit für die Verlängerung?

Trotz des verspäteten Wachstums neigt sich die Lebensdauer der ISS ihrem Ende entgegen. In den letzten Jahren war es immer wieder zu Pannen und technischen Problemen gekommen, die zeigen, dass die Station tatsächlich schon ziemlich in die Jahre gekommen ist. Bis 2024 stehen die Pläne der Amerikaner und Russen für das milliardenschwere Projekt. Eine Verlängerung der Mission bis 2030 wird dennoch seit langem diskutiert. Dabei geht es auch um die Frage, ob der technische Zustand eine Verlängerung überhaupt zulässt. (red, APA, 26.7.2022)