Bald sollen windgetriebene Rover Atmosphäre und Oberfläche des Mars erkunden.

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Die Bilder, die uns Marsrover wie Curiosity senden, zeichnen ein unwirtliches Bild des Mars: endlose, steinige Ebenen unter einem grauen Himmel, über die beständig der Wind heult. Dieser Wind kann die Fahrzeuge zwar nicht umwehen, dazu ist die Marsatmosphäre zu dünn, doch er bringt einen Störenfried mit sich: Sand.

Der feine Staub dringt in alle Spalten und kann Instrumente und bewegliche Teile beschädigen. Außerdem verdecken immer wieder gewaltige Staubstürme die Sonne und entziehen den solarbetriebenen Rovern damit ihre Energiequelle. Setzt sich der aufgewirbelte Sand dann auf den Solarpaneelen ab, ist die gesamte Mission gefährdet.

Wie der Marsrover Opportunity eindrucksvoll festhält, können die Sandstürme des Mars die Sonne völlig verdunkeln.
Foto: APA/AFP/NASA/HANDOUT

Flug der Albatrosse

Doch die Anfälligkeit für Wind ist nicht die einzige Schwachstelle unserer Art, den Mars zu erkunden. Neben den drei Rovern, die langsam die Oberfläche überqueren, vermessen acht Satelliten vom Orbit aus den Planeten. Zwischen den Raumsonden in der Umlaufbahn und den Rovern am Boden liegen aber hunderte Kilometer Atmosphäre. Dort spielen sich die für Planetenforscher wichtigen Klimaprozesse ab.

Der neueste Marsrover der Nasa, Perseverance, hat zwar einen kleinen ferngesteuerten Helikopter dabei, der auch bereits getestet wurde, bloß: Die Drohne kann sich nur wenige Minuten in der Luft halten und erreicht eher bescheidene Höhen. Abhilfe könnte hier der Flug der Albatrosse schaffen. Ingenieure der Universität Arizona (USA) haben ein Segelflugzeug entwickelt, das windgetrieben die Marslüfte durchfliegen soll.

Die Marssegelflieger halten sich wie Albatrosse pendelnd in der Luft.
Grafik: Adrien Bouskela et al. 2022, Aerospace

Werden die Sonden einmal per Ballon in die obere Atmosphäre gebracht, können sie mitunter tagelang in der Luft bleiben. Dabei verwenden sie dasselbe Prinzip wie Albatrosse bei ihren Reisen übers offene Meer. Die Vögel fliegen in niedriger Höhe gegen den Wind an, wodurch sie zwar Geschwindigkeit verlieren, aber an Höhe gewinnen, wenn sie ihre Körper aufrichten. So erreichen sie die schnellen Winde in höheren Luftschichten, wo die Vögel Geschwindigkeit gewinnen, abtauchen und wieder steigen. So pendeln Albatrosse langsam vorwärts.

Leichte Segler

Die Tiere leihen sich die Energie des Windes, um lange Distanzen zurückzulegen. Analog würden auch die Mars-Segelflieger nur diese Pendelbewegung ausführen. Die Solarpaneele auf den Flügeln müssen dann nur die Messinstrumente betreiben. Natürlich dürfen die Segelflieger nicht zu schwer sein. Erste Prototypen bringen bei einer Flügelspanne von rund drei Metern knappe fünf Kilo auf die Waage. Viele Messinstrumente könnten sie damit nicht mit an Bord nehmen.

Müssen sie auch nicht: Die Flieger sind so konstruiert, dass Herstellung und Transport auf den Mars möglichst günstig sind. Damit könnte ein ganzer Drohnenschwarm die Marsatmosphäre erforschen und auf dem Luftweg auch Orte erreichen, die für Marsrover unzugänglich sind. Abgestürzt sind die Flieger stationäre Messstationen.Während die Lüfte bald den windbetriebenen Drohnen gehören könnten, ist die Planetenoberfläche noch das Reich der Rover. Doch auch hier werden die Gefährte Konkurrenz bekommen – und zwar aus Wien.

Die rostroten, steinigen Ebenen des Mars sind noch das Reich fahrender Rover.
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Von Liesing auf den Mars

Laute Musik dröhnt durch die karge Halle im 23. Wiener Gemeindebezirk. Sie soll die jungen Menschen in blauen Overalls konzentriert halten, die hier bis spätnachts arbeiten. Die Studierenden schneiden lange gebogene Stangen aus rosa Kunststoff zurecht. Richtig zusammengesetzt, bilden sie das Skelett des Marsrovers, den ein internationales Studierendenprojekt hier in Liesing entwickelt.

Das Business Incubation Centre der Europäischen Weltraumagentur Esa unterstütz die Gruppe mit Expertise und Finanzen. Der Prototyp des Tumbleweed ist ein zweieinhalb Meter messender Ball aus Kunststoffverstrebungen. Seinen Namen bekommt der Rover von den Steppenläufern, im Englischen "tumbleweeds" – jenen trockenen Sträuchern, die in Westernfilmen malerisch durch die Kulisse rollen. Genau wie seine pflanzlichen Vorbilder soll der Rover windgetrieben über die Marsoberfläche rollen.

Der Prototyp des Tumbleweed-Rovers im Klima-Wind-Kanal in Wien-Floridsdorf. Mit seinen zwischen den Bögen gespannten Segeln soll er windgetrieben den Mars erforschen.
Foto: Team Tumbleweed / Matthias Wurmitzer

Um der dünnen Marsatmosphäre genügend Widerstand zu bieten, spannen Mitglieder des Tumbleweed-Projekts große Segel zwischen die Rippen des Prototyps. An den äußeren Bögen seines Gerüsts montieren sie Boxen, die bei einer echten Marsmission Messgeräte aufnehmen werden. Noch rollt der Tumbleweed aber nur durch irdische Wüsten, wo er gründlich getestet wird. Momentan tüftelt das junge Team daran, wie man den Tumbleweed in eine Rakete bringt, wo Platz immer Mangelware ist. Der fertige Rover wird immerhin fünf Meter Durchmesser haben.

Die nächste Generation

Gelingt es, den Rover beispielsweise faltbar zu gestalten, könnten mehrere der rollenden Rover gleichzeitig auf den Mars transportiert werden, wo das Tumbleweed-Rudel dann schnell große Teile der Marsoberfläche abdecken könnte. Beide Designs, die Segelflieger und der Tumbleweed, nützen die in den Marswinden enthaltene Energie, um im Schwarm den Roten Planeten zu erforschen. Sie sind günstig herzustellen und stellen daher für die Weltraumagenturen ein kleineres Investitionsrisiko dar.

Sollten sich die windgetriebenen Rover in den nun anbrechenden Testphasen bewähren, könnte die Ära der konventionellen Marsrover bald zu Ende gehen. (Dorian Schiffer, 30.7.2022)