Die großen, kreiselnden Rauchschwaden wirken fast so, als handle es sich um eine künstlerische Installation. Auch deswegen verbreitet sich das Video eines brennenden Windrades im texanischen Cromwell seit einigen Tagen viral im Netz. Es zeigt, wie ein Rotorblatt langsam von den Flammen verschlungen wird und schließlich auf den Mittelteil übergreift.

Der Vorfall ist für Umwelt und Klima, zu deren Schutz die Energiegewinnung aus Wind beitragen soll, allerdings ein Rückschlag. Mit der Anlage verbrannten laut NDTV auch etwa 8.000 Liter Mineralöl, die sich im Getriebegehäuse und im Transformator befanden. Das stellte auch die Feuerwehr, die den Brand lange nicht löschen konnte, vor einige Probleme.

Das brennende Windkraftwerk in Cromwell, Texas.

Gewittergefahr

Der Vorfall weist aber auch auf ein Problem für die Windkraftbranche hin. Gewitter zählen zu den größten Bedrohungen für die Kraftwerke. Das ist auch nicht verwunderlich, denn sie werden immer größer, und hohe Gebäude und Anlagen sind besonders anfällig für Blitzeinschläge. Laut einer Untersuchung (PDF) von Forschern der algerischen Universitäten Tebessa und Annaba aus dem Jahr 2014 sind Schäden durch Blitze die größte Ursache für ungeplante Abschaltungen, die entsprechend hohe Verluste für die Energieerzeugung generieren.

Für Deutschland, Schweden und Dänemark konnte man genauere Daten auswerten. In diesen vergleichsweise gewitterarmen Ländern kommt es jährlich bei vier bis acht Prozent der Windräder zu Blitzschäden. Andernorts, schätzen die Autoren, dürfte der Anteil deutlich höher liegen.

Herausforderung Blitzableiter

Die Wissenschafter halten fest, dass gemäß den von ihnen herangezogenen Simulationsmodellen vor allem die Höhe der Anlagen das Einschlagsrisiko definiert. Auch die Rotationsgeschwindigkeit könnte aber einen signifikanten Einfluss haben. Für die Entwicklung von Schutzmaßnahmen seien "geometrische, elektrische und mechanische Eigenheiten" zu beachten. Ein Spezifikum neuerer Windräder sei dabei, dass diese auf Rotorblätter mit glasfaserverstärktem Kunststoff setzen.

Die modernen Kompositmaterialien sind leichter als Stahl und Aluminium, bieten aber ähnliche mechanische Qualitäten. Sie bringen aber auch elektrische Eigenschaften mit, die mit Halbleitern vergleichbar sind. Sie benötigen einen integrierten Blitzschutz, um das Risiko von Schaden oder des Übergreifens der himmlischen Entladung auf andere Komponenten zu minimieren.

Beispiele für das "Wachstum" bei Windrädern liefert der Versicherer und Risikomanager Lockton. Vor einem Jahrzehnt seien die Rotorblätter einer großen Windkraftanlage 45 Meter lang gewesen. Heute stehen im Meer Turbinen, deren Blätter mit 107 Metern mehr als doppelt so lange sind – wie etwa Haliade-X von General Electric, die eine Spitzenleistung von bis zu 14 Megawatt erreicht.

Klimawandel erhöht Risiko

Das Beratungsunternehmen Global Risk Solutions hat errechnet, dass Blitze für 60 Prozent aller im laufenden Betrieb zerstörten Rotorblätter verantwortlich sind. Damit wird auch der Klimawandel für die Betreiber ein Problem, erklären die Underwriters Laboratories, die Standardisierung und Forschung im Bereich elektrotechnischer Sicherheit betreiben. Dort verweist man auf eine im Journal Science veröffentlichte Untersuchung der University of California, aus der hervor geht, dass eine um ein Grad höhere Durchschnittstemperatur die Häufigkeit von Blitzschlägen bei Gewittern um zwölf Prozent steigert.

Zudem meldete der Messtechnikanbieter Vaisala eine Zunahme von Blitzschlägen um 14 Prozent in den kontinentalen USA zwischen 2020 und 2021. Der Technologieanbieter Arctura schätzte den Schaden für die Branche pro Jahr auf mehr als 100 Millionen Dollar in den Vereinigten Staaten. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft nannte 2014 gegenüber der Nachrichtenagentur dpa eine Summe von 300 Millionen Euro für die jährlich 300.000 bis 550.000 Schadensfälle durch Blitze.

Bei diesem Windrad in Schottland funktioniert der Blitzableiter.
Power System Operation

2002 wurden erstmals gemeinsame Standards für den Blitzschutz bei Windkraftanlagen erarbeitet. Acht Jahre später erfolgte die Normierung unter dem Standard DIN bzw. IEC 61400-24, welcher drei verschiedene Formen von Blitzableitern empfiehlt, die die Energie über das Rotorblatt zum Korpus der Anlage und von dort in die Erde führen sollen. Zugrunde liegt diesem ein Minimum und Maximum an erwartbarer Stromstärke bei Einschlägen. 2019 wurde der Standard aktualisiert und empfiehlt seitdem, dass die Blitzableitersysteme stets für die höchsten zu erwartenden Levels an Stromstärke ausgelegt werden sollten.

Viele ältere Windräder erfüllen diese Vorgaben freilich nicht, und die Unternehmen, die die Komponenten im Auftrag der Betreiber herstellen, hinken bei der Umsetzung teilweise nach. Eine Nachrüstung ist aber oft möglich.

Druck kommt nun von Versicherern, zumal das Ersetzen eines Rotorblatts nach aktuellem Kurs bis zu 750.000 Euro kosten kann. Sie reduzieren bei unzureichendem Blitzschutz neuer Anlagen die Deckungsbeträge für die Betreiber. Es sei notwendig, argumentiert man bei Lockton, dass diese jenen Herstellern, die nach wie vor beim Blitzschutz Abstriche machen, die Rute ins Fenster stellen. (gpi, 27.7.22)