In Blitzen entlädt sich die Reibung von Wasserteilchen – hier in der Lausitz in Deutschland. Ist die Luft im Durchschnitt wärmer, ist sie in der Lage, mehr Wasser aufzunehmen. In der Folge kann es häufiger zu Gewittern kommen.
Foto: Thomas Hurny / lausitznews.de / Imago

Mit grollendem Donner und zuckenden Blitzen gehören Sommergewitter schon lange zu den heißen Monaten im Jahr. Am Montag zogen Unwetter vom Westen her über Österreich: Sie sorgten nicht nur für nächtliches Staunen und dringend nötige Abkühlung, sondern in manchen Regionen auch für langandauernden Starkregen und zerstörerische Murenabgänge.

Solche "Supergewitter", die sich länger als sonst an einer Stelle halten und für extreme Niederschläge sorgen, gebe es seit mehreren Jahren immer häufiger, sagte der ORF-Meteorologe Erhard Berger auf Ö1. Entsprechend sei es sinnvoll, sich das richtige Verhalten bei Gewittern in Erinnerung zu rufen.

Sicheren Schutz suchen

Wer draußen unterwegs ist, sollte möglichst schnell in einem geschlossenen Gebäude oder Auto Schutz suchen. Besonders gefährlich kann es in unmittelbarer Nähe von einzelnen Bäumen, Gewässern und Metall werden. Auf offenen Flächen hilft es, sich eine Mulde zu suchen und mit beiden Beinen auf einem isolierenden Untersatz, etwa einen Wanderrucksack, in Hockstellung und einigen Metern Abstand zu Mitreisenden abzuwarten.

In Häusern empfiehlt es sich noch immer, technische Geräte wenn möglich abzustecken. Vorsicht ist auch in Gebäuden geboten, die keinen Blitzschutz haben oder von alter Bauweise sind: Dann sollte man sicherheitshalber auch keine Metallleitungen berühren und weder duschen noch baden.

Entladene Energie

Ein Trend zu lange an einer Stelle verharrenden Gewittern lässt sich im Verlauf vergangener Jahrzehnte beobachten – auch wenn er nur sehr langsam zugenommen hat, sagt Unwetterexperte Georg Pistotnik von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), einer Forschungseinrichtung des Wissenschaftsministeriums. "Im Sommer haben wir öfter Wetterlagen, bei denen in allen Höhen nur mehr schwache Winde wehen", erklärt Pistotnik. "Deswegen verlagern sich nicht nur Hoch- und Tiefdruckgebiete als Ganzes, sondern auch wesentlich kleinere Systeme wie Gewitter nur sehr langsam."

Die Grafik zeigt, wie häufig es innerhalb von 24 Stunden in der Nacht vom 25. auf den 26. Juli 2022 in Österreich blitzte. Daten zu Blitzen in Österreich liefert der mobile Gewitterdienst der Plattform Aldis: Die bisherige Anzahl für 2022 liegt höher als in den Vorjahren, aber im üblichen Rahmen.

Diese Entwicklung hängt mit dem Klimawandel zusammen: Ist die Luft um ein Grad wärmer, kann sie etwa sieben Prozent mehr Wasser aufnehmen – und somit größere Mengen abregnen lassen. Gewitter entstehen vereinfacht gesagt durch aneinanderreibende aufsteigende Wassermoleküle, in Blitzen entlädt sich die Energie. "In einer wärmeren Atmosphäre ist mehr Wasserdampf vorhanden, der Energie für Gewitter zur Verfügung stellt", sagt der Klimaforscher. "Weltweit müssen wir mit mehr und heftigeren Gewittern rechnen."

Einflussfaktor Jetstream

Hinzu kommt der Effekt des Jetstreams, eines Windbands, das das europäische Wetter stark beeinflusst. Es dürfte sich einerseits verlangsamen, weil der Temperaturunterschied zwischen der Polarregion und südlicheren Gefilden geringer wird. Andererseits verschiebt sich das Windband in Richtung Norden. Das hat unter anderem zur Folge, dass es eher in Großbritannien und Skandinavien Tiefdruckgebiete und Gewitter vorbeiziehen lässt.

In den österreichischen Sommern hingegen bleibt es länger am Stück sonnig und heiß, und es kommt seltener als sonst zu Gewittern. Allerdings dehnt sich dafür die Gewittersaison aus und reicht weiter in Frühjahr und Herbst hinein.

Starkregen versus Wassermangel

Auch werden Pistotnik zufolge Unterschiede innerhalb des Landes deutlich, denn in Gebirgsregionen wird es weiterhin lokale Auslöser für Gewitter geben. Dies wirkt der Dürregefahr entgegen: "Unser Glück ist, dass es zumindest dort selbst in zukünftigem Klima im Sommer wahrscheinlich ausreichend Niederschläge geben wird." Andererseits gebe es aber auch immer öfter ein Zuviel an Regen und Hagel. Hingegen ist in flachen Regionen im Osten – etwa im Weinviertel und im Burgenland – bereits der Wassermangel offensichtlich, der zu einem immer größeren Problem wird. Sich selbst verstärkende Effekte der Trockenheit und Feuchtigkeit sorgen für noch extremere Wetterlagen.

In Lienz/ Zettersfeld wurden in der Nacht auf Dienstag beeindruckende Blitze bildlich festgehalten.

"Klimaprojektionen haben gezeigt, dass zudem das Risiko von Hagel und Sturm bei Gewittern zunimmt", sagt Pistotnik. Das größte Risiko dürfte jedoch Starkregen darstellen, der Überflutungen und Murenabgänge auslöst.

2021 entstand in Tschechien ein verheerender Tornado aus einer Superzelle.
Foto: CTK Photo / Marek Sitar / Imago

Tödliche Superzellen

Anders sieht es übrigens bei den sogenannten Gewittersuperzellen aus. Auch bei Superzellen handelt es sich um extreme Gewitterformen, die aber durch andere Bedingungen zustande kommen: Statt sich aufgrund fehlender Winde nur gemächlich fortzuschieben, sorgen hier starke Winde in mehreren Kilometer Höhe für eine riesige rotierende Gewitterwolke. "Sie bringen oft heftigen Hagel, aber auch Stürme, in Einzelfällen sogar Tornados", sagt der Klimaforscher.

Ein solcher Tornado traf Tschechien im vergangenen Jahr. Auch in Österreich kam es zeitgleich durch Superzellen zu schweren Hagelunwettern. Viele der großen Schäden wurden bis heute noch nicht behoben, es kam zu Todesfällen und hunderten Verletzten. Derartige Wirbelstürme sind vor allem aus dem US-amerikanischen Flachland bekannt, aber auch in Zentraleuropa kommt es bei maximal zehn Prozent der Gewitter zu Superzellen, sagt Pistotnik. Diese Sonderform dürfte sich hierzulande jedoch künftig nicht in gleichem Ausmaß häufen wie Gewitter allgemein. Was nötig bleibt, sind Schutzmaßnahmen, Notfallpläne und die rasche Eindämmung der Klimakrise. (Julia Sica, Marlene Erhart, 26.7.2022)