Die EU fasst einen Notfallplan für die Gasversorgung. Er soll die Union auch bei stockenden Lieferungen aus Russland über den Winter bringen.

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Zusammenhalt ist in der EU in der derzeitigen Gaskrise unverzichtbar. "Um durch die aktuelle Krise zu kommen, braucht die EU einheitliches Handeln", betonte der Direktor der Internationalen Energieagentur, Fatih Birol, vergangene Woche. Denn es gebe nicht ausreichend andere Quellen, um die fehlenden Lieferungen Russlands zu kompensieren. Daher mahnte Birol eine abgestimmte Notfallplanung der EU ein – die nun Formen angenommen hat.

Die EU-Staaten haben am Dienstag den Beschluss für einen Notfallplan zur Drosselung des Gaskonsums auf den Weg gebracht. Bei einem Sondertreffen der für Energie zuständigen Minister kam in Brüssel die notwendige Mehrheit für den Schritt zusammen, bestätigte die tschechische EU-Ratspräsidentschaft. Worum es bei dem Plan zum Gassparen geht und worauf sich Verbraucher gefasst machen sollten.

Frage: Was ist das Ziel des Notfallplans?

Antwort: Die EU-Staaten sollen im Zeitraum August bis Ende März, also bis über den Winter, 15 Prozent ihres Gasverbrauchs einsparen, verglichen mit ihrem Durchschnittskonsum der vergangenen fünf Jahre. Damit hielten sich die Minister an den Vorschlag der EU-Kommission, der diese Einsparung als ausreichend erachtet, um selbst bei ausbleibenden Gaslieferungen bis zum nächsten Frühling über die Runden zu kommen.

Frage: Ist ein kompletter Stopp russischer Gaslieferungen zu befürchten?

Antwort: Dieses Szenario ist nicht auszuschließen. Der russische Gaskonzern Gazprom hat am Montag angekündigt, die Lieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 auf 20 Prozent der ursprünglichen Menge zu verringern. Begründet wird dies damit, dass eine weitere Gasturbine in die Reparatur müsse. Weder Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) noch der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) halten dies für glaubwürdig. Ihnen zufolge ist Russland offensichtlich dazu bereit, Energielieferungen als Waffe gegen die EU einzusetzen.

Frage: Sind die Sparvorgaben der EU verpflichtend?

Antwort: Nein, zunächst handelt es sich dabei um Empfehlungen. Erst bei weitreichenden Versorgungsengpässen soll ein Unionsalarm ausgelöst werden, durch den sie auch verpflichtend werden. Ursprünglich wollte die EU-Kommission darüber entscheiden, wann dies der Fall ist – ihr wurde aber das Heft aus der Hand genommen. Nur der Rat der Mitgliedsstaaten soll dies durchsetzen können. Die Kommission darf lediglich vorschlagen, danach müssen für verbindliche Einsparziele 15 der 27 EU-Länder zustimmen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der Union ausmachen.

Frage: Wie sollen die Ziele erreicht werden?

Antwort: Es bleibt grundsätzlich den Ländern überlassen, wie sie ihre jeweiligen Einsparungsziele erreichen wollen.

Frage: Gilt das Sparziel für alle EU-Staaten in gleichem Maß?

Antwort: "Unterschiedliche Staaten sind in unterschiedlichen Positionen", erklärte der tschechische Industrieminister Jozef Sikela das Aufweichen des ursprünglichen Kommissionsvorschlags. Demnach können jene Staaten Ausnahmen beantragen, die wie Zypern, Malta oder Irland nicht direkt mit dem Gasnetz eines anderen Mitglieds verbunden sind. Ähnliches gilt für Spanien und Portugal, die nicht von russischem Gas abhängig sind, oder die baltischen EU-Staaten, da deren Stromnetze nicht mit anderen Ländern verbunden sind. Ausnahmen gibt es auch, wenn der Gasverbrauch stark gegenüber dem Fünfjahresschnitt gestiegen ist wie bei Griechenland.

Frage: Wie weit ist Österreich bisher bei den Einsparungen?

Antwort: Energieministerin Gewessler zufolge wurden heuer wegen der hohen Preise etwa zehn Prozent weniger Gas verbraucht. Zudem sei man "auf gutem Kurs", das Speicherziel von 80 Prozent zu erreichen. In Deutschland liegt das Minus im Vorjahresvergleich bei 14 oder 15 Prozent. Wirtschaftsminister Habeck dazu: "Und wenn Deutschland mehr macht als 15 Prozent, dann ist es ja auch keine Schande."

Frage: Werden private Haushalte laut dem EU-Plan genug Gas erhalten?

Antwort: Aller Voraussicht nach schon. Sie sind bei den Sparplänen zu bevorzugen, ebenso die kritische Infrastruktur für Gesellschaft, Gesundheitswesen und Verteidigung. Industrie und Gewerbe sollen nach Möglichkeit auf andere Energieträger umsatteln, sonst soll Gas, wenn nötig, verauktioniert werden.

Frage: Auf welche Maßnahmen sollen sich Verbraucher gefasst machen?

Antwort: Um in Österreich den Gasverbrauch weiter auf minus 15 Prozent zu drücken, sind laut Gewessler "Kraftanstrengungen" nötig. Als sicher gilt eine gezielte Kampagne zum Energiesparen, die im Herbst zu Beginn der Heizperiode starten soll. Zudem stehen Maßnahmen wie das Absenken der Temperatur auf 19 Grad in öffentlichen Gebäuden und im Handel im Raum. Diskutiert wird auch ein verringertes Tempolimit auf Autobahnen. Gewessler zufolge hat sie nur im Notfall eine Handhabe, eine parlamentarische Mehrheit für eine Gesetzesänderung ist nicht in Sicht.

Frage: Würden gesenkte Tempolimits im Straßenverkehr überhaupt Gas einsparen?

Antwort: Durchaus, das gilt unter Fachleuten als unbestritten. Unklar ist jedoch das Sparpotenzial, die Schätzungen gehen weit auseinander. Die OMV macht keine Angaben darüber, wie hoch der Erdgasverbrauch in der Raffinerie Schwechat ist.

Frage: Wie wirksam sind Aufrufe zum Einsparen von Gas überhaupt?

Antwort: Experten zufolge nur wenig. Um die breite Bevölkerung an Bord zu holen, braucht es demnach vielmehr Anreize, am besten finanzieller Natur. (FRAGE & ANTWORT: Alexander Hahn, 26.7.2022)