Gabriele Sprickler-Falschlunger hält die Entscheidung ihres Mannes Johannes Rauch, die Quarantänebestimmungen in Österreich aufzuheben, für falsch. Sie teilt ihm das in einer Presseaussendung mit. Sie ist Politikerin in Vorarlberg und überdies Ärztin, er ist Gesundheitsminister in Wien.

Das ist nicht nur eine eheliche Meinungsverschiedenheit, das ist Parteipolitik und ein gutes Beispiel dafür, wie Regierung und Opposition sehr institutionalisiert zusammenkrachen, anstatt sich zusammenzureden. Sprickler-Falschlunger ist SPÖ-Landesvorsitzende, Rauch prominenter Vertreter der Grünen in der Bundesregierung in Wien.

Gesundheitsminister Rauch und die Regierung zeigen anschaulich, dass sie aus den Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt haben.
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Die Sachlichkeit fehlt

Die Regierung zeigt anschaulich, dass sie aus den Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt hat. Anstatt den Konsens mit der Opposition zu suchen und in einer heiklen Frage eine gemeinsame Vorgangsweise zu entwickeln, fährt sie über die SPÖ-geführten Länder drüber und erzeugt dort automatisch Groll und Widerstand. So wird aus einer komplexen Sachfrage, zu der man tatsächlich unterschiedliche Zugänge finden kann, eine ideologische Auseinandersetzung. Es ist freilich nicht allein der Engstirnigkeit der türkis-grünen Koalition geschuldet: Die SPÖ nimmt den Fehdehandschuh allzu bereitwillig auf und wirft sich mit erwartbarer Verve in die Auseinandersetzung. Die sachlichen Argumente treten in den Hintergrund.

Das führt dazu, dass die Politik von sich selbst dieses verlotterte Bild zeichnet, das wir alle so gerne strapazieren. Das Vertrauen der Bevölkerung wird konsequent in den Sand gesetzt. Gerade in dieser Frage ist das brandgefährlich: Wenn die Menschen nicht verstehen, worum es geht, werden sie die neuen Regeln nicht oder nur widerwillig befolgen. Kontrolliert werden kann das ohnehin nicht. Es werden Leute mit Corona und ohne Maske ins Bad, ins Büro oder einkaufen gehen. Und dort andere, auch stärker gefährdete Menschen anstecken. So wie sie das vielleicht bisher auch taten, egal wie die Bestimmungen waren.

Es gibt eine Gruppe in der Bevölkerung, die zunehmend auf Regeln pfeift und keine Rücksicht nimmt, vielleicht nie genommen hat. Mit dieser Art des Regierens und des Nichtkommunizierens wird diese Gruppe größer werden. Die Politik erreicht Teile der Bevölkerung nicht, da stößt sie auf Widerwillen und Ablehnung.

Es wird verordnet, nicht erklärt

Es gibt gute Gründe, die Quarantäne abzuschaffen. Und mindestens genauso gute Gründe, sie beizubehalten, je nachdem, wen man fragt und auf wen man hören will. Die Regierung erweckt den Eindruck, sie hört mehr auf die Wirtschaft als auf Ärzte. Auch das mag seine Berechtigung haben, nur sollte man das ehrlicherweise erklären.

Aber es wird verordnet, nichts erklärt. Drei Landeshauptleute sind stinksauer, die neuen Regeln werden auch bei ihren Parteigängern kaum Anklang finden. Dabei wäre im Kampf gegen Corona ein gemeinsames Vorgehen gefragt, nicht das ungute Ellbogen-Raus.

Die Regierung könnte in dieser von ihr zelebrierten Konfrontation selbst zerrieben werden. Zu den Argumenten fehlt ihr die Legitimation. Und wenn sich die Lage wieder zuspitzt? Gehen wir in den nächsten Lockdown, sperren alle ein? Wie soll man das erklären, wer wird das befolgen? Die Bereitschaft, etwas umzusetzen, wird immer kleiner werden. Das Gemeinsame tritt in den Hintergrund.

Das ist nicht gut für die Gesellschaft. Und für den Einzelnen auch nicht. (Michael Völker, 26.7.2022)