Hitzige Diskussion: Sind Dreadlocks bei weißen Personen kulturelle Aneignung?

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Bern – Ein Konzert der Mundart-Band Lauwarm ist in der Schweizer Hauptstadt Bern abgebrochen worden, nachdem sich Personen im Publikum beschwert hatten. Laut Medienberichten hatten sie ein "Unwohlsein mit der Situation" verspürt, da zwei der ausschließlich weißen Bandmitglieder Dreadlocks trugen und außerdem jamaikanische Reggae-Musik spielten. Die Veranstalter der Berner Brasserie Lorraine reagierten sofort und brachen – in Absprache mit den Musikern – das Konzert ab. Eigentlich wäre eine andere Gruppe aufgetreten, Lauwarm waren als Ersatz eingesprungen.

Zwei der fünf Bandmitglieder tragen Dreadlocks: Das Konzert der Schweizer Musikgruppe Lauwarm wurde abgesagt.
Foto: Lauwarm / Screenhot Instgram

Ein neuer Fall von kultureller Aneignung und Cancel-Culture? Bereits im März wurde der Auftritt der Musikerin Ronja Maltzahn auf einer Demonstration seitens der Fridays-for-Future-Ortsgruppe Hannover verhindert. Der Grund: Dreadlocks bei weißen Personen seien eine Form von "Cultural Appropriation". Gerade bei einem globalen Streik wolle man auf ein "antikolonialistisches und antirassistisches Narrativ" setzen, lautete die Erklärung der Klimaschutzorganisation. Eine weiße Person würde sich mit so einer Frisur etwas "kulturell aneignen", obwohl sie nicht die systematische Unterdrückung schwarzer Menschen erlebe. Der Fall trat eine hitzige Diskussion los – wer darf was?

Wo liegt das Problem?

So nun auch bei dem Vorfall in der Schweiz, was sich in empörten Online-Kommentaren niederschlug. Eine Userin verwies auf den jamaikanischen Musiker Bob Marley: "Würde er sagen, dass Reggae nur von Jamaikanern gespielt werden darf?! Im Ernst?!? Er selber hatte übrigens einen weißen Vater." Jemand anderer bezeichnete die ganze Debatte als "Kulturterrorismus". Die meisten zeigten Unverständnis für den Konzertabbruch. Sogar der Co-Fraktionspräsident der FDP in der Stadt Bern, Tom Berger, twitterte zu der Diskussion: "Jetzt mal ehrlich. Wenn Du Dich 'unwohl' fühlst, weil weiße Menschen Reggae-Musik machen, könnte es dann sein, dass Du das Problem bist ...?"

Die Konzertveranstalter entschuldigten sich nachträglich in einer Stellungnahme auf Facebook für die "Sensibilisierungslücken", man hätte das Publikum besser "schützen müssen" vor dem Auftritt. "Nach einem Gespräch mit der Band haben wir uns zusammen dafür entschieden, das Konzert abzubrechen. Uns ist bewusst, dass die Verantwortung bei uns liegt", hieß es in dem Post der Genossenschaft Brasserie Lorraine. Als Reaktion auf den Vorfall und den offensichtlichen Gesprächsbedarf laden die Veranstalter nun zu einer Diskussionsrunde. "Wir erwarten ein respektvollen Umgang. Rassismus und andere Diskriminierungen haben keinen Millimeter Platz."

Und auch die Band reagierte auf ihrer Instagram-Seite: "Mit dem Thema kulturelle Aneignung wurden wir als Band bis jetzt noch nie direkt konfrontiert. Wir begegnen allen Kulturen mit Respekt. Wir stehen aber auch zu der Musik, welche wir spielen, zu unserem Erscheinungsbild und unserer Art, wie wir sind."

Anzeige erstattet

Die Jugend der Schweizerischen Volkspartei (Junge SVP) hat, wie sie am Donnerstag auf Twitter mitteilte, infolge der Ereignisse Anzeige wegen Verstoßes gegen die Antirassismus-Strafnorm erstattet. "Was in der Brasserie Lorraine geschah ist Rassismus", heißt es in dem Posting. Dabei geht es allerdings nicht um echte Sorge – das Posting setzt fort: "Sollen die woken Kreise ruhig mal ihre eigenen Gesetze zu spüren bekommen." Die Junge SVP hatte sich erst vor Kurzem in die Diskussion rund um "Cancel-Culture" eingeschalten und einen Wettbewerb ausgerufen, um den mit Sexismusvorwürfen konfrontierten Ballermann-Hit "Layla" zur Nummer 1 der Charts zu machen. (red, 27.7.2022)