Ein Ärgernis im Urlaub: besetzte Liegen am Pool oder am Strand.

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Das Phänomen ist seit Jahrzehnten bekannt und sorgt bei vielen Urlauberinnen und Urlaubern für Unverständnis, Frust, Zornausbrüche: Schon früh am Morgen werden mit einem Handtuch die besten Liegen am Strand oder am Pool reserviert.

Sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag hat diese Unsitte, die nach zwei Corona-bedingt ruhigen Reisejahren mit voller Wucht zurückkehrt: "Das Belegen von Liegestühlen ist ein in der Soziologie betrachtetes Fallbeispiel, wie ein neues Ordnungssystem in einem scheinbar rechtsfreien Raum entsteht", liest man bei Wikipedia. Und weiter: "Dabei werden typischerweise in Poolnähe stehende Liegestühle, deren Zahl knapp bemessen ist, durch Ablegen von Badetüchern gekennzeichnet, sodass sie für Neuankommende als belegt zu erkennen sind."

"Pool-Sheriff" im Einsatz

Was heißt aber scheinbar rechtsfreier Raum? Eine einheitliche oder gar gesetzliche Regelung gibt es tatsächlich nicht, jedes Hotel darf selbst darüber entscheiden, welche Regeln aufgestellt werden – es greift das sogenannte Hausrecht. Es ist also tunlichst zu vermeiden, den Liegestuhl zu reservieren, wenn das Hotel dies nicht erlaubt. Da die Hotelbetreiber aber kaum jemanden wegen dieses "Delikts" aus dem Haus werfen, helfen sie sich anders. So hat ein Hotel auf Teneriffa einen "Pool-Sheriff" im Einsatz: Der räumt die reservierten Sonnenliegen morgens wieder leer, weil Reservierungen vor zehn Uhr in der Anlage verboten sind.

Selbst zur Tat zu schreiten, also einfach eine reservierte Liege selbst abzuräumen, davon wird tunlichst abgeraten, um keinen "Handtuchkrieg" zu provozieren. Im Zweifelsfall lieber dem Personal Bescheid geben – oder eine andere Liege suchen. Im Sinne von: Der/Die Klügere gibt nach. Auch wenn das frustrierend sein kann.

"Die Menschen haben durch die Corona-Pandemie lange auf ihren Urlaub gewartet und haben vielleicht noch mehr als vorher das Gefühl, sie müssten alles aus dem Urlaub herausholen", wird Tourismusexperte Alexis Papathanassis bei n-tv zitiert. Er versucht sich an einer Erklärung: "In vielen Urlaubsländern gibt es aber einen Fachkräftemangel in der Hotellerie, da wird es Einschränkungen bei den Dienstleistungen geben. Wenn die Leute deshalb schon unzufrieden sind, gewinnen kleine Ärgernisse wie besetzte Sonnenliegen zusätzlich an Bedeutung."

Ein deutsches Phänomen?

Im genannten Wikipedia-Eintrag werden wissenschaftliche Erkenntnisse dargelegt. Im Urlaub Liegen zu reservieren sei quasi genetisch bedingt, ein Urinstinkt, Stichwort Revier markieren, typisches Territorialverhalten. Dabei scheinen sich deutsche Gäste besonders hervorzutun, sagt zumindest das Klischee. Tatsächlich habe jeder achte Deutsche schon mal im Urlaub eine Liege reserviert, so das Ergebnis einer Umfrage der Airline Swiss.

Eine im Jahr 2019 veröffentlichte Untersuchung lege aber nahe, dass die Gäste anderer Nationalitäten genau wie die Deutschen dazu tendieren, Liegestühle zu blockieren, liest man. Zudem sei die vorurteilsfreie Wahrnehmung durch die Präsenz des Themas in den Medien beeinträchtigt.

So scheinen auch die Briten, die sich mit Vorliebe über die deutsche "beach towel brigade" lustig machen, ebenfalls erbitterte Akteure im Handtuchkrieg zu sein. Papathanassis und sein Team machten aber auch Franzosen und Griechen als Liegenbesetzer aus. Wie sich österreichische Urlauberinnen und Urlauber verhalten, wurde offensichtlich (noch) nicht erhoben – diese Fallstudie muss wohl jede und jeder im Urlaub für sich durchführen. Vielleicht wird das Thema ja auch nur aufgebauscht. (red, 27.7.2022)