Obwohl man spät auf den Zug aufgesprungen ist, versucht man auch in Europa zunehmend die eigene Produktionslandschaft auf E-Autos umzurüsten.

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Knapp eine Million Teslas wurden 2021 weltweit verkauft. Fast doppelt so viele wie im Jahr davor. Auch in Österreich führt in Sachen E-Autos der US-Konzern mit großem Respektabstand zu Platz zwei. Aber die Karten werden laufend neu gemischt. Im ersten Halbjahr 2022 etwa verkaufte der chinesische Konzern Byd (Build your dreams) bereits 641.000 E-Autos – rund 80.000 mehr als Tesla im Vergleichszeitraum.

Hersteller aus Europa und Asien ließen den Abstand zum Branchenprimus, vor allem in den letzten Jahren, zunehmend schrumpfen, auch wenn vor allem die Software bei Tesla noch immer eine Klasse für sich ist. Aber auch dieser Vorteil, so die Experten, habe ein Ablaufdatum. Aber wird Markentreue für etablierte Automarken reichen, um den Thron mittelfristig zurückerobern zu können, oder bleibt die Firma von Elon Musk weiterhin der Antriebsmotor der Branche?

Tesla war in den letzten beiden Jahren Marktführer – 2022 verkaufte der chinesische Hersteller Byd erstmals mehr Fahrzeuge.
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Böses Erwachen

"Den E-Auto-Trend haben viele, so muss man es leider sagen, lange Zeit verschlafen", erklärt Markus Kaiser vom ÖAMTC. Das erkläre den langanhaltenden Vorsprung von Tesla. Sämtliche Produktionsstätten beim US-Konzern wurden aufgrund des klaren Ziels, E-Autos produzieren zu wollen, von Anfang an optimal ausgestattet. Hinzu kommt, dass die Software immer als Teil des Autos gesehen wurde, weshalb diese noch immer einen Vorsprung gegenüber anderen Herstellern aufweist. "Bei manchen Produzenten gibt es noch immer Softwarebugs, die tatsächlich fahrzeugschädigend sind, etwa wenn die 12 V Bordnetzbatterie ohne Grund ausgesaugt wird und diese dann getauscht werden muss", sagt Kaiser dem STANDARD. Es handle sich um klassische Kinderkrankheiten, die zuletzt auch immer mehr ausgemerzt wurden, dennoch haben hier viele weiterhin Aufholbedarf.

Dieser Aufholbedarf wird zahlreich im Netz bestätigt, wenn man sich ein wenig umschaut. Zahlreiche Nutzer klagen auch bei bekannten Autoherstellern noch immer vor allem über schlecht bedienbare und unzuverlässige Software. Auch unlogische Schikanen werden genannt, etwa wenn der Lautstärkeregler nur dann die Lautstärke regelt, wenn man gerade im Softwaremenü für das Radio ist – ansonsten dient er als Navigationstaste.

Auch der Aufbau einer Ladeinfrastruktur war immer ein Teil der Tesla-Philosophie, ganz im Gegensatz zu den meisten Mitbewerbern. So finden sich auch Schnellladestationen verteilt über die USA oder Europa. In Österreich meist in der Nähe von Autobahnen.

In den USA beispielsweise ist das Versorgungsnetz von Tesla beeindruckend. Aber auch in zahlreichen anderen Ländern finden sich Ladestationen des Unternehmens.
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Umrüsten ist teuer

Für VW, BMW oder Hyundai bedeutete das Umdenken in puncto E-Mobilität in den letzten Jahren vor allem auch ein Umrüsten. So wird etwa demnächst das BMW-Werk in Steyr zu einem der größten E-Auto-Werke des Konzerns umgerüstet. Ein Prozess, der dauert und kostet.

Bei den wichtigsten Faktoren eines E-Autos, dem Laden und den Akkus, sei aber tatsächlich schon viel passiert, um quasi einen Gleichstand zu erreichen. "Natürlich ist Tesla auch hier gelegentlich einen Schritt voraus, die Abstände, die der Mitbewerb zum Nachziehen benötigt, werden aber immer kürzer", sagt Kaiser. Gerade in Asien forsche man aktuell sehr intensiv an neuen Technologien, um speziell in Sachen Reichweite Fortschritte zu erzielen. Der nächste Durchbruch wird hier mit der Festköperbatterie erwartet, die eine deutlich höhere Energiedichte als bisherige Akkus erlaubt und damit auch eine größere Reichweite.

Auch in Sachen Lade-Technologie ziehen quasi alle Hersteller mit jeder neuen Generation zu den neuen Standards nach. "Früher war bei 50kW Schluss, heute sprechen wir von 200 bis 300 kW. Dieses schnellere Laden in Kombination mit höheren Reichweiten macht E-Mobilität künftig sicher für noch mehr Leute interessant."

Vorgeprescht in diesem Bereich ist zuletzt das Münchner Start-up Sono Motors, das erst Ende Juli ein mit Solarpanel geladenes Auto namens Sion präsentiert haben. Das Auto soll Ende 2023 in Österreich verfügbar sein, verspricht der Hersteller in einer aktuellen Presseaussendung.

Markus Kaiser ist beim ÖAMTC für den Bereich E-Mobilität zuständig.
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Aktuelle Hürden

Obwohl die Zahl an Neuzulassungen weltweit stark zunimmt, hat die noch junge E-Mobilität aktuell mit zahlreichen Hürden zu kämpfen. Zunächst einmal bleibt der Einstieg in den Markt teuer. Es gibt wenige leistbare Kleinwagen, der Trend geht ähnlich wie bei den Verbrennern in Richtung SUV und generell größerer Modelle. Das hat unter anderem mit der Batterie zu tun, die in größeren Autos mehr Platz hat und damit größere Reichweiten erlaubt. "Der ökologische Gedanke bleibt damit natürlich auf der Strecke", meint Kaiser. "Schön wäre es zu sehen", so der Experte, wenn vor allem auf Autos mit wenig Verbrauch gesetzt würde, aber der Trend geht in eine andere Richtung."

Die laufenden Kosten könnten im Falle eines E-Autos den teuren Kauf zwar wieder wettmachen, aber auch nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Tatsächlich haben E-Autos geringere Service- und Wartungskosten als Verbrenner, und auch die Versicherung ist meist günstiger. Die Ladekosten sind ein variabler Punkt. Leute mit selbst erzeugtem Strom, meistens Hausbesitzer, können hier zusätzlich sparen. Wer in einer Wiener Mietwohnung sein Zuhause hat, ist hier weniger flexibel und muss notfalls zu einer teuren, öffentlichen Ladestation. "Hausverwaltungen hätten hier schon lange umdenken müssen", meint Kaiser, "die kommende Mietrechtsnovelle könnte hier eine leichte Verbesserung schaffen, aber solche Dinge müssen eigentlich bei jedem Neubau mitgedacht werden."

Aktuell ist zudem zu beobachten, dass der Preis von E-Autos in den letzten Wochen gestiegen ist und noch weiter steigen wird. Schuld sind die wachsende Nachfrage und die weiter vorhandenen Lieferengpässe bei allen Herstellern. Komponenten sind teilweise einfach nicht zu bekommen, weshalb ein kurzfristiger Kauf derzeit kaum möglich ist. Auch der Trend, dass Autohersteller bei Software-gestützten Autos mittlerweile laut über Abo-Modelle nachdenken, um Features über den Kauf hinaus kostenpflichtig zu machen, kann nicht im Interesse künftiger Kunden sein.

"Funktionen und Komponenten nicht direkt freizuschalten ist zu hinterfragen. Ein Navigationssystem, also eine reine Software, nur im Sommer zu bezahlen und dafür beim Kaufpreis dieses nicht verrechnet zu bekommen mag ein Anwendungsfall sein", sagt Kaiser. Verbaute Hardware, etwa eine Batterie, von der man als Kunde nur Zugriff auf eine reduzierte Kapazität hat, außer man zahlt monatlich für eine höhere Reichweite, sieht der Experte kritisch. Das seien unnötige Fehlerquellen, die dem Kunden nur schaden würden.

Die Fördertöpfe in Österreich sind nicht besonders prall gefüllt, was das Thema E-Mobilität betrifft.
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Umstieg auf Raten

In Norwegen durften vor ein paar Jahren E-Autos noch die Busspur nutzen. Einer von vielen Vorteilen, mit denen die dortige Regierung aktiv für einen Umstieg auf E-Mobilität warb. Das Ergebnis: Seit Jahren liegt der Anteil von Neuzulassungen bei über 70 Prozent zugunsten von E-Autos. Hierzulande ist der Fördertopf nicht unendlich gefüllt und wird sogar merkbar kleiner, sieht man regelmäßig auf die Übersichtsseite Umweltfoerderung.at. Wer also schon länger mit einem Umstieg liebäugelt, der sollte sich bald entscheiden, auch aufgrund der langen Lieferzeiten.

Warten auf künftige Entwicklungen müsse man nicht unbedingt. Die größten Schritte seien gemacht, ist sich Kaiser sicher. Natürlich wird noch viel passieren, aber die aktuellen Modelle seien schon sehr ausgereift. Den Kampf um den ersten Platz werden sich in den nächsten Jahren mehrere Hersteller untereinander ausmachen. Sobald die Software bei allen Herstellern auf einem ähnlichen Niveau ist, wird der treue VW-, Audi- oder Hyundai-Kunde wohl auch gern bei seinem Hersteller bleiben. Das zeige etwa auch der große Erfolg von Byd in China. In den nächsten Jahren wird aber wohl Tesla, trotz zahlreicher Rückschläge, den Ton angeben. Die Frage ist allerdings: Wie lange noch? (Alexander Amon, 27.7.2022)