Die Politiker und Politikerinnen können es heute offenbar niemandem recht machen. In den Medien, von rechts bis links, wird die Regierung gnadenlos kritisiert: ideenlos, provinziell, zweite Garnitur, korrupt, inkompetent und nicht vertrauenswürdig. Die Umfragen sind im Keller. Die SPÖ ist Nummer eins, aber nicht, so beeilen sich die Experten und Expertinnen zu versichern, weil deren Vertreterinnen und Vertreter so gut sind, sondern die der ÖVP so schwach.

Sebastian Kurz war mal jung statt alt, türkis statt schwarz, modern statt altvaterisch. Indess ist er völlig out.
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Was für einen Typ Politiker hätten wir denn gern? Charismatiker? Persönlichkeiten mit Ausstrahlung und dem Anspruch, alles neu und anders zu machen, hatten noch vor kurzem Kon-junktur.

Sebastian Kurz fällt einem da natürlich als Erster ein. Jung statt alt, türkis statt schwarz, modern statt altvaterisch. Er ist indessen völlig out, wie auch Boris Johnson, der einst ebenfalls als Zukunftshoffnung und mit dem Versprechen der Erneuerung gewählt wurde. Er hatte – und hat – Witz und Bildung, kann flüssig Shakespeare und griechische Klassiker zitieren und sprang einst als Londoner Bürgermeister mit dem Fallschirm auf einem Fußballstadion ab. So etwas galt damals als originell, heute würde es als alberner PR-Gag betrachtet werden. Dieser Premierminister ist indessen Geschichte.

Emmanuell Macron, genannt "Jupiter", wird in weiten Kreisen als "abgehoben" und "elitär" kritisiert.
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Und da ist schließlich Emmanuel Macron, genannt "Jupiter". Ein liberaler Banker, auch er jung und strahlend, der die traditionelle französische Parteienlandschaft durcheinanderwirbelte und als eine Art republikanischer König eine Zeitlang die europäische Szene beherrschte. Er ist noch immer Frankreichs Präsident, aber seine Partei muss um ihre Mehrheit fürchten, und ihr Chef wird in weiten Kreisen als "abgehoben" und elitär kritisiert. Ein Präsident der Reichen, sagen seine Gegner.

Der allgemein bewunderte Staatslenker ist heute undenkbar

Noch eine Generation früher fällt einem schließlich ein dritter Typ von erfolgreichem Politiker ein: der allgemein bewunderte Staatenlenker. Bruno Kreisky gehörte dazu, Willy Brandt und John F. Kennedy. Viele sahen damals in Menschen wie ihnen Vorbilder. In Österreich waren nicht nur Sozialdemokraten stolz darauf, dass zu Zeiten des "Sonnenkönigs" Kreisky wichtige ausländische Staatsmänner nach Wien kamen, um sich mit diesem über internationale Themen zu beraten. Alles heute undenkbar.

Offenbar ist Politiker sein in guten Zeiten begehrenswert und in schlechten Zeiten nicht. Kein Wunder, dass sich in Österreich in letzter Zeit Rücktritte von Ministern und Ministerinnen gehäuft haben. Und kein Wunder, dass bei Ministerwechseln der Neue oder die Neue als Erstes mit der Frage konfrontiert werden: Warum tun Sie sich das an?

Kann es sein, dass Frauen auch deshalb heute mehr Chancen in der Politik haben als früher, weil immer weniger Männer sich um diese Jobs reißen? Einer der wenigen positiven Aspekte der Veränderungen ist übrigens die Tatsache, dass Frauen in der Spitzenpolitik zunehmend nach ihrer Leistung und weniger "als Frau" wahrgenommen werden. Angela Merkel hat da Maßstäbe gesetzt.

Welche Sorte Mensch entspricht dem heutigen Musterbild des Politikers oder der Politikerin? Eher der kompetente Fachmann als der Möchtegern-Messias. Manchmal aber auch der Populist. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 28.7.2022)