Annie Leibovitz fotografierte für die "Vogue" die First Lady der Ukraine.

Foto: ANGELA WEISS / AFP

Konzentriert blickt die First Lady der Ukraine in die Kamera. Sie sitzt auf den Stufen der Kiewer Metro, hinter ihr Sandsäcke. Rasant verbreitete sich das Porträt Olena Selenskas online und auf Social Media, es soll in der Oktober-Ausgabe der Vogue erscheinen. Festgehalten wurde Selenska von Starfotografin Annie Leibovitz, die US-Amerikanerin war für die Aufnahmen nach Kiew geflogen.

So außergewöhnlich die Inszenierung der ukrainischen Präsidentengattin zum derzeitigen Zeitpunkt erscheinen mag, für die 72-Jährige war der Auftrag des Verlags Condé Nast ein recht normaler Job. Leibovitz gilt als die Porträtistin der Stars und Prominenten. In den vergangenen Jahrzehnten hatte sie so ziemlich alle, die bekannt und im Gespräch sind, vor der Linse. Ihre Aufnahmen? Meist aufwendige, durchkomponierte Inszenierungen. Viele sind zu Foto-Ikonen geworden. Die Bilder für Rolling Stone, Vanity Fair oder Vogue sind heutefester Bestandteil der Popkultur: John Lennon schmiegte sich vor Leibovitz’ Kamera nackt an Yoko Ono, Demi Moore zeigte sich mit bloßem Babybauch, Whoopi Goldberg badete in einer mit Milch gefüllten Wanne, First Lady Michelle Obama zeigte ihre Oberarme, nur die Queen weigerte sich, für ein Foto der US-Amerikanerin, ihre Krone abzulegen.

So wurde die Fotografin der Stars selbst zu einem. Und das nicht nur, weil ihre Porträts so treffend oder packend waren. Die Frau mit den langen grauen Haaren, die sich meist schwarz kleidet, führte selbst ein Leben auf der Überholspur. Gigantische Gagen ermöglichten der US-Amerikanerin einen ausschweifenden Lebensstil.

Annie Leibovitz leistete sich Privatjets, Immobilien und gab gerne Geld aus – allerdings nicht nur für sich selbst. Als ihre Lebensgefährtin und "Liebe ihres Lebens" Susan Sontag und ihr Vater Samuel Mitte der Nullerjahre an Krebs erkrankten, soll die Fotografin weder Kosten noch Mühen gescheut haben, die beiden behandeln zu lassen, sie verstarben kurze Zeit später.

Das alles hatte Konsequenzen: Mit 60 stand die Frau, die als eine der bestbezahlten Fotografinnen der Welt gilt, vor dem finanziellen Ruin. Bis 2014 soll sich die Stabilisierung ihrer Finanzen hingezogen haben. Daran, dass sie sich nicht unterkriegen ließ, dürften ihre drei Töchter Anteil haben: Sarah, der Vater ist ein fremder Samenspender, und die Zwillinge Susan und Samuelle, die Leibovitz von einer Leihmutter austragen ließ. (Anne Feldkamp, 27.7.2022)