Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) setzt nicht jeden Ratschlag der Gecko-Taskforce – im Bild die Vorsitzende Katharina Reich – um.

Foto: Helena Lea Manhartsberger

Wien – Am Montag, 1. August, wird die Quarantäne für Corona-Infizierte fallen, hat die Bundesregierung beschlossen – entgegen dem Ratschlag des von ihr selbst ernannten Expertengremiums Gecko. Denn dieses hatte in seiner Sitzung am Montag zu diesen Plänen unmissverständlich erklärt, dass der Wegfall der Quarantäne für positiv Getestete "mit einer Reihe von unkalkulierbaren Risiken verbunden" sei. Von drohendem Kontrollverlust über das Infektionsgeschehen bei gleichzeitig steigenden Infektionszahlen ist im Protokoll dieser Sitzung die Rede.

Die Auswirkungen dieser Lockerungen seien angesichts der "sehr labilen Ausgangssituation" nicht abschätzbar, heißt es in dem Protokoll. Auch der Impfschutz angesichts neuer Varianten sei noch nicht ausreichend belegt. Und den Vergleich mit anderen Staaten, den die Bundesregierung zur Rechtfertigung der Maßnahmen herangezogen hat, hält man bei Gecko für nicht zulässig – weil die Durchimpfungsraten dort höher seien und zudem teils andere Impfstoffe zum Einsatz gekommen sind. Außerdem seien in diesen Ländern solche Lockerungsschritte stets bei stark fallenden Infektionskurven gesetzt worden.

Gecko: Nicht auf Eigenverantwortung setzen

Ganz explizit weist das Gremium im jüngsten Protokoll auf die Gefahren hin, die mit den Lockerungen wie dem Aus der Quarantäne einhergehen: "Die Lockerung von Pandemiemaßnahmen (sowie auch bereits die Ankündigung von Lockerungen) kann als Signal einer geringen epidemiologischen Gefahr interpretiert werden. Dies hat sich bereits bei früheren Lockerungsschritten beobachten lassen. Zu erwarten ist daher, dass bei einer sinkenden Gefahrenwahrnehmung die Maßnahmencompliance sowie das eigenverantwortliche Präventionsverhalten abnimmt."

Das Beratergremium weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass die Abschaffung der Quarantäne für Corona-Infizierte mit "Anstrengungen in anderen Bereichen" einhergehen müsse, um den Schutz vulnerabler Gruppen gewährleisten zu können. Konkret wird empfohlen, die Anzahl der Tests in diesen Bereichen deutlich zu erhöhen.

Auch die Impfungen müssen angesichts "Immunflucht" bei den neuen Virusvarianten intensiviert werden. So empfiehlt Gecko dringend, die vierte Impfung für die ältere Bevölkerung voranzutreiben – und zwar schon bei Menschen ab dem 60. Lebensjahr, wie Daten aus den USA zeigen würden. Und man rechne damit, so das Expertengremium, dass eine fünfte Impfung im Winter nötig sein werde.

Gecko fühlt sich dennoch von Regierung gehört

Ob man sich angesichts dieser Diskrepanz zwischen Ratschlägen der Gecko und den Entscheidungen der Bundesregierung nicht übergangen fühle, beantwortet Gecko-Geschäftsstellenleiter Stefan Rakowsky auf STANDARD-Anfrage mit Nein: "Unser Selbstverständnis ist das eines beratenden Gremiums, wir fällen keine Entscheidungen." Der Fokus der Gecko-Ratschläge liege stets auf dem Gesundheitsaspekt. "Die Bundesregierung muss für ihre Entscheidungen allerdings mehr als das berücksichtigen", sagt Rakowsky. Gemeint sind damit etwa politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Aspekte.

Daher fühle sich die Gecko-Kommission auch nicht übergangen. Im Gegenteil, sagt Rakowsky: "Gecko wird sehr wohl gehört." Er verweist in diesem Zusammenhang etwa auf die Registerverordnung.

Angesichts der jüngsten Verordnung der Bundesregierung zum Quarantäne-Aus heißt es von Gecko, dass diese Verordnung zum Zeitpunkt der Sitzung am Montag noch nicht bekannt gewesen sei – lediglich die Absicht, eine solche zu formulieren. Und dahingehend seien die erwähnten Bedenken geäußert worden. Wobei man bei der Gecko überzeugt ist, dass die Bundesregierung diese Bedenken bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigt habe.

Die zwei Rollen Katharina Reichs

Für die Aufhebung der Quarantäne hatte sich in Interviews auch die Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit Katharina Reich ausgesprochen, die gleichzeitig Gecko-Vorsitzende ist. Am Donnerstag war sie für den STANDARD persönlich nicht erreichbar.

Ein Sprecher der Gesundheitsministeriums sah jedoch keinen problematischen Widerspruch zwischen ihrem Ja und dem unter ihrer Mitwirkung beschlossenen Gecko-Nein zur Aufhebung der Isolationsregeln. Als Gecko-Chefin stehe Reich "einem Gremium von Fachleuten vor, in dem es unterschiedliche Stimmen gab", als Generaldirektorin habe sie darüber hinaus auch andere Aspekte mitzudenken. (Steffen Arora, Irene Brickner28.7.2022)