Zoë Kravitz trägt auf diesem Foto eine Mini-Trésor von Omega ...

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... wem die Uhr besser steht, dem Autor dieses Artikels oder dem Modell, darüber lässt sich streiten.

Foto: Markus Böhm

Unstrittig ist jedoch, dass die Aqua Terra 150 M mit 38 Millimetern glatt als "unisex" durchgehen kann.

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Gelegentlich ist er noch zu hören, der Satz: "Die Armbanduhr ist, neben dem Ehering selbstverständlich, das einzige legitime Schmuckstück des Mannes." Manschettenknöpfe gehen gerade noch durch, aber dann ist auch schon Schluss mit lustig. Woher diese Aussage stammt? Das lässt sich nicht mehr nachvollziehen, nur dass sie immer noch durch die Gegend schwirrt und gerne rezitiert wird, vor allem wenn es darum geht, den alleinigen Anspruch des Mannes auf die Armbanduhr zu untermauern.

Petros Protopapas kosten solche Diskussionen nur ein müdes Lächeln. Der oberste Wächter der Geschichte der Uhrenmarke Omega weiß, dass Mode, Geschmäcker, geschlechtsspezifische Zuschreibungen fluide sind. Was heute geht, war gestern unerhört. Im Zusammenhang mit der Armbanduhr heißt das: Noch um die vorletzte Jahrhundertwende war es alles andere als "normal", als Mann eine Armbanduhr zu tragen. Im Gegenteil: Es sei verpönt gewesen. Denn – g'standene Mannsbilder haltet euch fest – die Armbanduhr galt als nachgerade weibisch. Männer hatten Taschenuhr zu tragen und basta.

Jahrzehntelang Frauendomäne

Bei unserem Gespräch am Rande der sehenswerten Wanderausstellung "Her Time", die letzten Juni in Madrid Station machte und sich den Damenuhren bei Omega im Laufe der Jahrzehnte widmet, erklärt Protopapas auch, wie es dazu kam. Tatsächlich war die Armbanduhr über viele viele Jahre eine Frauendomäne und anfangs ausschließlich adligen Damen vorbehalten. Queen Elizabeth I. durfte ein solches Schmuckstück mit Zeitangabefunktion ihr Eigen nennen – Herstellungsjahr 1575.

Die Reihe lässt sich weiter fortsetzen. So zählte etwa die Königin von Neapel, Caroline Murat, zu den Kundinnen von Breguet. Ihre Armbanduhr gilt als die erste, die jemals dokumentiert wurde (1810). Patek Philippe lieferte 1869 eine Uhr an Gräfin Koscowicz von Ungarn. Die Uhren der damaligen Zeit wurden allerdings eher als Accessoire, denn als als funktionale Uhren angesehen.

Bedeutender Markt

Die allererste Omega Armbanduhr für Damen, das konnte man bei "Her Time" erfahren, feierte 1902 in einem silbernen Etui mit zartem Blumenmuster ihr Debüt. Natürlich folgte man auch der Mode und dem Zeitgeist. Während der "Roaring Twenties" waren kurze Röcke, Flapper-Kleider und Bob-Haarschnitte der letzte Schrei, während die Art Déco-Bewegung die Welt mit satten Farben und ausgefallenen Formen vertraut machte. Passend zu dieser Neuentdeckung von Freiheit produzierte Omega eigene Art Déco-Schmuckuhren. Interessant ist zum Beispiel auch, dass mehr als 35 Prozent der Produktion von hochentwickelten Uhrwerken zwischen 1894 und 1935 auf Damenuhren entfielen. Dies ist ein klarer Hinweis dafür, dass die Marke die Möglichkeiten und die Bedeutung solch eines Marktes zu schätzen wusste.

Männlich umgedeutet wurden die Zeitmesser schließlich mit dem Ersten Weltkrieg. Als Kampfpiloten und Soldaten erkannten, dass eine Taschenuhr an der Front gar unhandlich war und sie auf praktischere Armbanduhren umstiegen – die Funktionsuhr war geboren, die Industrie hatte eine neue Zielgruppe. Und richtete ihr Marketing darauf aus.

Wachsendes Interesse

Was in der Folge zu einem Phänomen führte, das als "shrinking and pinking" subsumiert wird: Damenuhren wurden vielfach auf kleinere Versionen von Herrenuhren degradiert, noch ein paar Diamanten drauf und fertig. Ganz so, als ob man noch immer jenem Gedankengut verhaftet wäre, das ein Kollege 1916 in der "Revue Internationale de l'Horologie" formulierte: "Was Uhren betrifft, benötigen die Frauen keine Präzisionsuhr, weil sie sowieso immer zu spät sind – sie sind mehr an Karaten und üppigen Verzierungen interessiert."

Mit der unglaublichen Renaissance der mechanischen Uhr ab den Nullerjahren dieses Jahrhunderts standen wieder die Männer im Vordergrund – teils sexistische Werbung war Programm. Dass man Slogans wie "Engineered for Men" mittlerweile eingemottet hat, liegt an gesellschaftlichen Entwicklungen, aber sicher auch an der wachsenden Zahl an einschlägig interessierten Frauen, die sich nicht mehr mit diamantbesetzten Miniquarzuhren abspeisen lassen wollten und wollen. Weibliche Uhrenfans griffen daher beherzt bei Zeitmessern zu, die das Label "Herrenuhr" trugen. Selbst so Riesenticker, wie sie beispielsweise Panerai herstellt, wurden auf Damenhandgelenken gesichtet.

Label in Frage gestellt

Dazu passt, dass Alessandra Ambrosio keinen Hehl aus ihrer Vorliebe für die Moonwatch, die wohl berühmteste Uhr von Omega, macht. Das brasilianische Topmodel kam nach Madrid, um unter anderem über die neue Mini-Trésor von Omega zu sprechen, die während der Ausstellung zum ersten Mal in Europa präsentiert wurde. Sie ist eine Adaption der klassischen De Ville Trésor, in einem kleineren Maßstab von 26 Millimetern – mit ihren gemusterten Toile-de-Jouy-Armbändern ist die Quarzuhr quasi das komplette Gegenteil der Moonwatch.

Wie viele Damen Herrenuhren bei Omega kaufen und umgekehrt, das kann selbst der Chef der Marke, Raynald Aeschlimann, nicht sagen. Es ginge Omega vor allem darum, eine breite Auswahl an Modellen für jeden Geschmack anzubieten. Bestes Beispiel dafür ist die Aqua Terra 150 M. In ihr tickt ein als "Master Chronometer" zertifiziertes Co-Axial-Werk, sprich: beste Mechanik. Und: Sie ist mit einem Gehäusedurchmesser von 38 Millimetern nicht mehr als Damenuhr zu erkennen – wenn man, wie es gerne geschieht, die Größe als Kriterium heranzieht. Gut vorstellbar, dass sie auch Männern mit schlankem Handgelenk gefällt.

In jüngster Zeit wird das Label "Damenuhr" als solches zunehmend in Frage gestellt. Solche "gender classifications" seien nicht mehr zeitgemäß, befindet etwa Victoria Gomelsky in einem Artikel in der "New York Times" im März 2021, der folgerichtig mit "Forget 'Ladies' Collections'" übertitelt ist und als Appell an die Uhrenindustrie zu lesen ist, sich von solchen Kategorisierungen komplett zu verabschieden. Was sei eine "Damenuhr" überhaupt? Eine Uhr, die von einer Frau getragen wird, lautet eine Antwort. Cara Barrett plädiert in ihrem Beitrag auf dem einflussreichen Uhrenblog Hodinkee wiederum dafür, dass alle Uhren "Unisex" sein sollten. Oder besser gleich gender-free. (Markus Böhm, 11.9.2022)