Markus Tschank vor seiner Aussage im U-Ausschuss im Sommer 2020. Eine interne Besprechung davor wurde ohne Tschanks Wissen aufgezeichnet.

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War der frühere Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) korrupt? Einen bereits erfolgten, nicht rechtskräftigen Schuldspruch wegen Bestechlichkeit rund um eine Privatklinik (Causa Prikraf) bekämpft Strache, entschieden ist über seine Berufung aber noch nicht. Am Freitag wird ein weiteres Gerichtsurteil verkündet werden, in der sogenannten Causa Asfinag.

Da geht es um den Vorwurf, Strache habe sich von Unternehmer Siegfried Stieglitz bestechen lassen, der sei dafür in den Aufsichtsrat der Asfinag gekommen. In der Anklage geht es auch um eine Spende von Stieglitz an den FPÖ-nahen Verein Austria in Motion in der Höhe von 10.000 Euro. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe, und es gilt die Unschuldsvermutung.

Um Austria in Motion, andere FPÖ-nahe Vereine und Spenden an selbige geht es auch in einer Tonaufnahme, die nun von der polizeilichen Ermittlungsgruppe "AG Fama" transkribiert wurde. Sie stammt aus dem Handy des früheren FPÖ-Abgeordneten und jetzigen Referenten Hans-Jörg Jenewein, gegen den in der Causa Ott rund um Geheimnisverrat aus dem Verfassungsschutz ermittelt wird.

Jenewein hat offenbar im Mai 2020 eine Besprechung mit dem früheren FPÖ-Abgeordneten Markus Tschank aufgenommen, später stieß auch Investmentbanker Markus Braun dazu. Nota bene: Dabei handelt es sich nicht um den früheren Wirecard-Chef, sondern den gleichnamigen Chef der Wiener Sigma. Sowohl Braun als auch Tschank hatten Funktionen im blauen Vereinsnetz.

Geplante Provision für Fundraising

In der Aufnahme, über die "Die Presse" zuerst berichtete, ist zu hören, wie Tschank die Entstehungsgeschichte von Austria in Motion beschreibt: Im Jahr 2015 habe es "einen Auftrag vom Büro Strache" gegeben, dass man sich zusammensetze "und quasi so einen Verein einmal gründet". Der heutige FPÖ-Chef Herbert Kickl, damals Generalsekretär, habe "den Namen 'Austria in Motion', soweit ich mich erinnern kann, konzipiert". Man habe damals schon festgehalten, dass man das Geld des Vereins nur für die Vereinszwecke verwenden dürfe, nicht aber für die Partei, sagte Tschank.

Erst im Wahljahr 2017 sei Bewegung in die Sache gekommen. Er, Tschank, habe sich aber aus dem Verein zurückgezogen, da er für den Nationalrat kandidierte. Im Frühsommer 2017 hätten FPÖ und Austria in Motion dann laut Tschank je einen Vertrag mit der Agentur St. Stephan Capital Partners GmbH abgeschlossen – und zwar einen "Provisionsvertrag für Fundraising". Die Agentur hat sich laut Tschank zwanzig Prozent von jeder Spende behalten dürfen.

"Riesige Summen ... ganz regelmäßig"

Der Rechtsanwalt von Agenturchef und Eigentümer Christoph Traunig stellt dazu aber klar: Die Verträge seien "nie vollzogen" worden, es seien daher auch weder Spender bzw. Unterstützer akquiriert worden noch an irgendwen irgendwelche Gelder geflossen. Auch Ermittlungsverfahren gegen seinen Mandaten gebe es keines. Dessen Erinnerung: Strache habe ihn 2018 gefragt, ob er als ausgewiesener Experte für Bank- und Finanzwirtschaft eine Nominierung für den Generalrat der Nationalbank annehmen würde. Das habe Traunig in Hinblick auf seine langjährige Erfahrung bejaht. Im übrigen sei Traunig nie FPÖ-Mitglied gewesen.

Bei den Funktionären der Vereine dürfte die Überraschung beim Blick in die Kontoauszüge jedenfalls groß gewesen sein: Es seien "riesige (...) Summen eingegangen, ganz, ganz regelmäßig", sagte Tschank in dem Gespräch mit Jenewein; als die Vereinsfunktionäre das gesehen hätten, "samma aus allen Wolken gefallen", wie Tschank in der Besprechung erklärte.

Wer ist "SMG"?

Freilich habe man nicht gewusst, woher die Spenden stammen: ob von Strache selbst gekeilt, von der Agentur oder "wem auch immer". Gerätselt wurde da etwa, "was das SMG ist", das immerhin 75.000 Euro gespendet hatte. Tschank schilderte, der Verein habe dann "über die Kontonummer die Firma gesucht", der Spender entpuppte sich als der Waffenproduzent Steyr Mannlicher (SMG). Die Spende sei in Erwartung eines Beitrags zum öffentlichen Diskurs getätigt worden, sagte ein Unternehmenssprecher nach Bekanntwerden des Geldflusses.

Aus den Tonaufnahmen erschließt sich auch, wie es zu den hohen Spenden der Unternehmen der Industriellenfamilie Turnauer gekommen ist. Ihre Industrieliegenschaftsverwaltungs AG (Ilag) "kam vom Joschi (Gudenus, Anm.)", sagte Tschank. Turnauers waren offensichtlich auch der Motor für weitere Vereinsgründungen durch die Blauen. Sie hätten mit ihrer Spende nämlich gern "mehrere Zwecke abgedeckt", deswegen seien dann die Vereine "Wirtschaft für Österreich" und "Patria Austria" gegründet worden. Die Ilag und eine Tochter spendeten insgesamt 475.000 Euro an die FPÖ-nahen Vereine; auch an die ÖVP flossen ab 2012 hunderttausende Euro.

Vereine waren "Start-ups"

Geld war also da – es blieb aber auch. Als im Mai 2019 das Ibiza-Video erschienen war, hat der Vereinsvorstand laut Tschank einen Wirtschaftsprüfer beauftragt. Gemäß dessen Expertise seien noch 90 Prozent des Geldes da gewesen, es habe nur "kleinere Ausgaben" gegeben, etwa für Management-Fees. Tschank habe beschlossen, das zurückzuzahlen, weil er da "schon ein schlechtes Gefühl gehabt" habe.

Vom STANDARD zum Inhalt der Tonaufnahme befragt, sagt Tschank, die Vereine seien "Start-ups" gewesen, intern habe sich einiges getan: Besprechungen hätten stattgefunden, Konzepte seien ausgearbeitet worden. Eine Kooperation mit der WU Wien für ein größeres Studienprojekt zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurde angebahnt. Er habe jedenfalls nie die Wahrnehmung gehabt, dass Spender eine Gegenleistung gefordert hätten.

Einmal freilich hätte es fast eine höhere Ausgabe gegeben. Im Frühjahr 2019 habe der Geschäftsführer der FPÖ Tschank von einem Buchprojekt Straches informiert und dass Strache dafür "200.000 Euro bräuchte". Diese Finanzierung habe der Verein aber abgelehnt. (Renate Graber, Fabian Schmid, 28.7.2022)