Einst galt der Bafa Gölü als einer der schönsten Seen der Türkei – heute bietet er ein Bild des Jammers: statt türkisblauer Wellen oft nur noch graubrauner Schlamm. Mehr als 200 Vogelarten lebten hier, jetzt finden sie kaum noch Nahrung und verschwinden nach und nach. Die kleinen Fischerboote verrotten am vertrockneten, salzhaltigen Ufer. Fatih Yavas, einst Fischer, hat keine Hoffnung mehr: "Das Wasser kommt nicht mehr zurück, wir können hier nicht mehr leben."

Am Tuz Gölü, dem zweitgrößten See der Türkei, sinkt der Wasserpegel dramatisch.
Foto: AFP / Adem Altan

Der See im Hinterland der Ägäis-Küste war vor knapp 2000 Jahren noch eine Meeresbucht. Durch stetige Ablagerungen des berühmten Mäander-Flusses verlandete das Delta, ein See entstand. Doch auch vom Fluss ist kaum noch etwas übrig geblieben. "Letztes Jahr hatte der Büyük Menderes (so sein heutiger Name, Anm.) überhaupt kein Wasser mehr", berichtet der Bürgermeister des nahe gelegenen Ortes Serçin.

Das Gebiet um den Bafa Gölü war nicht nur für Vögel ein Paradies: Zu byzantinischen Zeiten war das am See gelegene Latmos-Gebirge ein bevorzugter Rückzugsort für Mönche. Etliche Klosterruinen liegen hier in versteckten Tälern, und in vielen Grotten finden sich christliche Höhlenbilder. Der See und seine Umgebung waren deshalb auch ein beliebtes touristisches Ziel. Das droht sich nun zu verändern.

Vielen anderen Gewässern in der Türkei droht ein ähnliches Schicksal, auch die großen Seen im Taurus-Gebirge nahe der Touristenmetropole Antalya verlieren Wasser. Einige Schiffsanleger stehen bereits auf dem Trockenen.

Bedrohliche Lage

Geradezu dramatisch ist es am Tuz Gölü, dem zweitgrößten See der Türkei. Kürzlich schlug die Hydrologin Muazzez Çelik Karakaya von der Konya-Universität Alarm: Der See (mit einer Fläche von rund 1600 Quadratkilometern ist er rund fünfmal größer als hierzulande der Neusiedler See, Anm.) sei in einer absolut bedrohlichen Lage. Laut Karakaya sei er in den letzten Jahrzehnten bereits um 30 Prozent geschrumpft. "Wenn jetzt nichts getan wird", sagt sie, "werden wir den See komplett verlieren."

Der Tuz Gölü ist, wie sein Name schon sagt, ein Salzsee. Aus den Salinen an seinen Ufern hat die Türkei bislang 50 Prozent ihres Bedarfs gedeckt. Hunderttausende Flamingos haben in den Salzbracken ihre Eier abgelegt, aber die Vögel finden wegen des Wasserverlusts kaum noch Nahrung und suchen sich zunehmend andere Plätze.


Der Grund für das langsame Absterben des Tuz Gölü ist derselbe wie beim Bafa Gölü und bei den großen Seen nördlich von Antalya: zu wenig Regen infolge des Klimawandels sowie Übernutzung der Flüsse und des Grundwassers durch die Landwirtschaft. In der Türkei regnete es von 2019 bis 2021 phasenweise um ein Fünftel weniger als früher. Besonders dramatisch war es im Südosten, aber auch an der Mittelmeerküste und in Zentralanatolien betrug der Verlust 24 Prozent.

Auch wenn es im Winter 2021/22 wieder mehr geregnet hat und zumindest die für die Wasserversorgung von Istanbul und Ankara wichtigen Stauanlagen wieder gefüllt sind, ändert sich an dem generellen Trend nichts.

Neulich hat das beim Agrarministerium angesiedelte Wasserinstitut SEUN davor gewarnt, dass die Türkei in die Klassifizierung als "Wasserarmes Land" abzurutschen drohe, wenn nicht bald in großem Maßstab verantwortungsvoller mit Wasser umgegangen werde: Statt einfach Grundwasser auf die Felder zu pumpen, müsse die Bewässerung grundlegend effizienter werden. Auch Brauchwasser solle aufbereitet werden. Sonst falle der Grundwasserspiegel weiter, und die Bohrrohre müssten in immer größere Tiefe getrieben werden. Irgendwann wäre jedenfalls Schluss, und die Ernten gingen dramatisch zurück.

Gefahr für die Kornkammer

So geschieht es bereits in der Umgebung südlich des Tuz Gölü in der Region um Konya, einst die Kornkammer der Türkei. Die Getreideernte 2021 war laut Statistischem Institut landesweit bereits 15 Prozent geringer als im Jahr davor – und diese war schon nicht gut. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, 29.7.2022)