Die Zinsen für Baukredite steigen zwar, dafür belasten die nun höheren Anforderungen bei der Vergabe das Neugeschäft der Banken.

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Mit der Zinserhöhung um einen halben Prozentpunkt hat die Europäischen Zentralbank (EZB) vergangene Woche nach sechs Jahren einen Schlussstrich unter die Nullzinsphase in der Eurozone gezogen. Es dürfte nur der erste von mehreren Schritten sein, die das Zinsniveau bis 2026 auf einem höheren Niveau halten sollten. "Für österreichische Banken sind steigende Zinsen grundsätzlich positiv für das Privatkundengeschäft", sagt Achim Kaucic von der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group.

Daher soll in diesem Bereich der Wind auch wieder drehen, nach zehn Jahren Flaute erwartet er wieder Wachstum im Privatkundengeschäft. Im wahrscheinlichsten Szenario – weder anhaltende Stagflation noch stabiles Wachstum – soll das Gewinnwachstum mit Privatkunden bis 2026 rund 3,6 Prozent pro Jahr betragen. Allerdings werden sich die Erträge nicht in allen Bereichen gleich entwickeln.

Rückläufige Einlagen

Rückläufig war in den vergangenen Jahren vor allem das volumenstärkste Geschäft, nämlich jenes mit Spareinlagen. Sie waren zuletzt um etwa 14 Prozent pro Jahr stark rückläufig. In diesem Bereich soll nun wieder Wachstum aufkommen, denn: "Mit dem Veranlagen von Einlagen verdienen Banken wieder Geld", sagt Kaucic. Zwar gebe es einen Überschuss an Spareinlagen, den die Institute selbst nicht gänzlich über die Kreditvergabe investieren können. Als Alternative verweist der Experte auf die Renditen sicherer Staatsanleihen, die zuletzt wieder positive Niveaus erreicht haben.

Bereits im Vorfeld der Zinserhöhung ebenfalls deutlich nach oben geklettert sind die Kreditzinsen, insbesondere bei Konsumkrediten. "Sparzinsen werden langsamer erhöht als Kreditzinsen", erklärt Kaucic, was zu höheren Erträgen für die Banken führe. Allerdings werden die nun strengeren Regeln bei der Vergabe von Immobilienkrediten und die höheren Zinsen das Neugeschäft belasten. Sprich, die Dynamik soll nachlassen und das Risikomanagement wichtiger werden.

Mehr Karte, mehr Ertrag

Weiterhin zunehmen sollte das Geschäft mit dem Zahlungsverkehr. Dieses entwickelt sich Kaucic zufolge ungefähr dem Wirtschaftswachstum entsprechend, dazu kommen die Auswirkungen der Verhaltensänderungen der Kunden – also mehr ertragsbringende Karten- statt Barzahlungen.

"Kurzfristig ruppig" soll das Geschäft mit Wertpapieren werden, erwartet der Boston-Consulting-Experte. Zuvor war der Bereich vor allem dank des während der Corona-Pandemie erwachten Kundeninteresses stark gewachsen. Kaucic erwartet jedoch keine anhaltende Flaute, in den nächsten Jahren sollte es auch mit dem Wertpapiergeschäft wieder aufwärtsgehen.

Schwaches Halbjahr

Bisher war 2022 ein sehr schwaches Börsenjahr – im ersten Halbjahr erlitten Aktien und Anleihen gleichzeitig schwere Verluste, ein seltenes Ereignis. Im Bankhaus Gutmann kehrt nach den "schlechtesten ersten sechs Monaten ever" die Zuversicht langsam zurück. Zumindest für die Anleihenmärkte erwartet die Privatbank ein deutlich besseres zweites Halbjahr. Warum? Auf Inflationssorgen sollen nun Rezessionsängste folgen. In solchen Phasen sind Schuldverschreibungen generell gefragt – zudem bremse es die EZB. Zwar werde sie im September die Zinsen um einen weiteren halben Prozentpunkt erhöhen – dann allerdings wohl pausieren, um nicht in dem erwarteten wirtschaftlichen Abschwung die Leitzinsen weiter anzuheben.

Neutral betrachtet die Bank Gutmann den Aktienmarkt nach dem Absturz im ersten Halbjahr. "Wir rechnen mit einer starken Gegenbewegung", sagt Chief Investment Officer Robert Karas. Wie nachhaltig dieser sein wird, ist für ihn angesichts der bestehenden Unsicherheiten noch nicht abzusehen. (Alexander Hahn, 29.7.2022)