Die Europäische Integrationskonferenz im Palais Niederösterreich in Wien.

Foto: APA/BKA/CHRISTOPHER DUNKER

Die Integration Vertriebener ist für Susanne Raab eine "unglaubliche Herkulesaufgabe". Noch dazu, wenn die Asylzahlen gleichzeitig steigen, erklärte die Integrationsministerin (ÖVP) am Rande der von ihr organisierten Europäischen Integrationskonferenz, die am Donnerstag in Wien stattfand. Teilgenommen haben 25 für Integration zuständige Minister, Staatssekretäre und hochrangige Beamte aus europäischen Ländern. Auf dem Programm stand ein Austausch von Maßnahmen unter anderem zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt und ins Bildungssystem.

"Wir sehen noch eine sehr, sehr hohe Solidarität, Akzeptanz und Unterstützung" in der österreichischen Bevölkerung, erklärte Raab mit Blick auf die Vertriebenen aus der Ukraine. Gleichzeitig räumte sie ein, dass das Bereitstellen von privaten Unterkünften "womöglich ein Ablaufdatum hat". Aufgrund der EU-Massenzustrom-Richtlinie müssen ukrainische Vertriebene zunächst kein Asylverfahren durchlaufen und scheinen daher auch nicht in den am Donnerstag veröffentlichten Asylantragszahlen für das erste Halbjahr 2022 auf.

Anteil von Tunesiern gestiegen

Demnach haben von Jänner bis Ende Juni 31.050 Menschen um internationalen Schutz in Österreich angesucht. In der Mehrzahl handelte es sich um Männer aus Afghanistan und Syrien mit 7325 respektive 6680 Anträgen. Am dritthäufigsten, konkret 3810-mal, stellten tunesische Staatsbürger Asylanträge, auch hier großteils Männer. Letzteres ist neu, bis heuer fielen die Anträge aus dem nordafrikanischen Staat kaum ins Gewicht.

Damit gab es in den ersten sechs Monaten um 185 Prozent mehr Asylanträge als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs mit 10.867 Anträgen. Von Zahlen wie 2015 ist man aber noch ein gutes Stück entfernt. In dem Jahr, in dem die große Fluchtbewegung nach Europa startete, wurden in Österreich insgesamt 88.340 Asylanträge registriert. Aus der FPÖ kommt nun die Forderung, Rückweisungen an der Grenze – also asylrechtlich verbotene Pushbacks – zu legalisieren.

Auf der Durchreise

Bei der NGO Asylkoordination erklärt man das massive Plus anders. "Die hohen Antragszahlen sind das Ergebnis intensiver Grenzkontrollen mit vielen Aufgriffen, vor allem zwischen Ungarn und Österreich", sagt dort Lukas Gahleitner. Die meisten Aufgegriffenen würden Asylanträge stellen, um ihren Aufenthalt in Österreich zu legalisieren – aber nach nur wenigen Tagen weiterreisen. "Wahrscheinlich verdingen sich viele der Männer als Schwarzarbeiter in der Obst- und Gemüseindustrie, vor allem in Italien, Spanien und Frankreich."

Als starkes Indiz für diese Sicht der Dinge zieht Gahleitner die im Vergleich niedrigen Grundversorgungszahlen in Österreich heran. Insgesamt befinden sich laut Innenministerium aktuell rund 88.000 Menschen in dem Asylwerberinnen und anderen mittellosen Ausländerinnen offenstehenden Versorgungsnetz, darunter etwa 57.000 Ukraine-Flüchtlinge. Neben – nur – 17.000 Asylwerberinnen werden auch 14.000 sonstige Fremde betreut: konkret rund 1900 Asylberechtigte und 7600 subsidiär schutzberechtigte Personen. (Irene Brickner, Kim Son Hoang, 28.7.2022)