Die Wespenspinne fühlt sich hierzulande wohl – gefährlich ist ihr Gift für Menschen nicht.

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Irgendetwas läuft aus dem Ruder: Weißstörche fliegen im Winter deutlich seltener in Richtung Süden. Kuckucksweibchen suchen verzweifelt nach freien Nestern – die meisten Küken der Wirtsvögel sind bereits geschlüpft. Fröschen und Kröten gehen die Tümpel zum Laichen aus.

Schlangen wie die wärmeliebende Äskulapnatter, vorwiegend im Flachland verbreitet, kriechen mittlerweile zischend in Richtung Westen, breiten sich dort immer weiter aus und verdrängen die Kreuzotter. "Das ganze Gefüge gerät durcheinander", sagt Ökologe Johann Zaller von der Universität für Bodenkultur Wien.

Ein stetiger Wandel in der Natur sei eigentlich ganz normal. Was allerdings nicht normal ist: "All das geht zu schnell. Die Evolution kommt den rasant steigenden Temperaturen und Dürreperioden nicht nach." Lange Zeit hätte man gedacht, dass es durch den Klimawandel nur graduell und kontinuierlich wärmer werde.

"Nun sehen wir eindeutig, dass dem nicht so ist und stattdessen Extremereignisse das Geschehen beherrschen", sagt Zaller. Das stellt Pflanzen, Tiere und auch den Menschen vor enorme Herausforderungen.

Falter passt sich an

Fauna und Flora haben sich über Jahrmillionen perfekt aufeinander abgestimmt. Insekten schlüpfen etwa genau dann, wenn der Blütennektar reif ist. Zumindest bisher. Zaller spricht von einer Desynchronisierung von Fauna und Flora. Als Beispiel nennt er die Falterart Sonnenröschen-Bläuling.

Aus England sei bekannt, dass er im Frühjahr immer häufiger vergebens nach dem Nektar der Sonnenröschen gesucht hat. Obwohl er im gewohnten Zyklus geschlüpft ist, waren die Blumen aufgrund der wärmeren Temperaturen bereits verblüht. Anfangs sind die Falter ausgehungert weiter gen Norden gezogen. Mittlerweile haben sie ihre Ernährung auf eine Geranienart umgestellt – "und so wahrscheinlich ihr Überleben gesichert".

Auch heimische Arten wie der Admiral – er gehört zur Familie der Edelfalter – haben sich bereits angepasst. Er überwintert mittlerweile hier anstatt im Mittelmeerraum. Damit tut er es dem Weißstorch gleich. Er gerät immer seltener unter Zugzwang und bleibt laut Zaller in den kalten Monaten häufiger hier.

Der Weißstorch bleibt im Winter häufig hier.
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Kuckuck sucht Nester

Unverändert zeigt sich hingegen das Verhalten des Kuckuckweibchens. Es streift nach wie vor zur selben Zeit durch die Wälder, um ihre Eier Hausrotschwänzen, Rotkehlchen oder Zaunkönigen unterzujubeln. Probleme hat es trotzdem. Denn die Wirtsvogelarten haben großteils bereits auf die wärmeren Temperaturen reagiert und brüten früher. Das bedeutet: weniger Nistmöglichkeiten. Dies sei neben Insektenrückgang, Landschaftsveränderung und Pestiziden ein weiterer Grund dafür, dass die Kuckucksbestände zurückgehen.

Vom Klimawandel betroffen seien rund 46.000 Tierarten, die in Österreich krabbeln, kriechen und fliegen. Darunter auch Regenwürmer, Springschwänze, Mikroorganismen und Pilze, die als der Putztrupp der Wälder gelten. Sie bauen das Blattmaterial bis ins Frühjahr ab und bereiten die darin enthaltenen Nährstoffe für die Pflanzen wieder auf. Viele von ihnen seien aktuell gefährdet.

Wandern gen Norden

Kampflos geschlagen geben will sich allerdings keine der heimischen Pflanzen und Tiere. Also wandern sie gen Norden oder höher ins Gebirge, wenn es im Flachland zu warm wird. Dieser Wandel dauert allerdings Jahrzehnte. Zudem "ist irgendwann der Gipfel erreicht", sagt Zaller. Besonders problematisch ist das für endemische Arten, wie etwa spezielle Heuschrecken, Laufkäfer- oder Schneckenarten, die es nur in Österreich gibt. "Sterben sie aus, ist es vorbei."

So richtig wohl fühlen sich hierzulande dafür mittlerweile Tiere, die ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammen, wie der bunte Vogel Bienenfresser oder die Gottesanbeterin. Ebenfalls eingewandert sind die Blauschwarzen Holzbienen und Wespenspinnen. Letztere treibt Arachnophoben den Angstschweiß auf die Stirn. Körper und Beine sind gelb-schwarz gestreift, was ihren Anblick besonders bedrohlich macht. Ihr Gift ist für Menschen aber zum Glück nicht gefährlich.

Der Bienenfresser stammt aus dem Mittelmeerraum, fühlt sich mittlerweile aber auch in österreichischem Klima wohl
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Unflexibler Mensch

Dass Katastrophen Teil der natürlichen Entwicklungen sind und Organismen mehr oder weniger gut darauf reagieren, weiß der Ökologe. Fauna und Flora können ihre Verbreitungsgebiete, wenn auch über mehrere Generationen hinweg, verändern, während Menschen wohl "am meisten unter dem Klimawandel leiden werden".

Hitze, Dürre und Starkregenereignisse machen das nur allzu deutlich. "Wir können mit technischen Maßnahmen nicht wettmachen, was wir in der Natur zugrunde gerichtet haben", sagt Zaller. Sauerstoff zu erzeugen sei beispielsweise zwar möglich, aber im großen Stil schlicht unleistbar. Dasselbe gelte für Trinkwasser und Nahrungsmittel. Er plädiert für einen "altmodischen, ethischen Ansatz" und mehr Wertschätzung gegenüber Natur, Wasser, Sauerstoff und schlicht dem Schatten unter einem Baum. (Julia Beirer, 01.08.2022)