Stahl, Glas und Stein als bildhauerische Eingriffe in die Landschaft – so lässt sich die Architektur von Günther Domenig beschreiben.

Foto: Helga Rader

Das ehemalige Eisenhüttenwerk der Heft.

Foto: Gerhard Maurer

Das Steinhaus am Ossiacher See wurde früher aus allen Werbeprospekten wegretuschiert und ist heute bei Modefotografen und Instagrammern.

Foto: Gerhard Maurer

"Weißes Haar, dunkle Gesichtshaut, ein hellwaches, spaßiges Funkeln unter bleischweren Lidern. Zwischen feingliedrigen Fingern glost eine Zigarette", so beschreibt die Kärntner Schriftstellerin Anna Baar den vor zehn Jahren verstorbenen Architekten Günther Domenig. Erstmals ist nun eine umfassende Retrospektive über das Werk des 1934 in Klagenfurt geborenen Architekten zu sehen.

In der zu der Ausstellung erschienenen Publikation nähert sich Anna Baar seinem Werk über die Person. Nachvollziehbar, gibt es doch wenige Architekten, deren Eigenwilligkeit und Widerspenstigkeit sich so in ihren Bauwerken widerspiegeln. Domenig war jemand, der polarisierte, dessen Werk andere weit über die Grenzen hinaus beeinflusste und der schon zu Lebzeiten zu den wichtigsten Architekten Österreichs zählte.

Lebendige Erinnerung

Bis Mitte Oktober ist die Retrospektive Günther Domenig: Dimensional, auf vier Standorte verteilt, in Kärnten zu sehen: in Klagenfurt im Museum Moderner Kunst Kärnten (MMKK) und im Architektur Haus Kärnten sowie in zwei seiner Bauten, dem Steinhaus am Ossiacher See und am Ort der ehemaligen Landesausstellung, der Heft in Hüttenberg.

Das Kuratorenteam um Andreas Krištof von section.a und Raffaela Lackner vom Architektur Haus Kärnten will mit der Ausstellung das Werk Domenigs neu verorten und in die Jetztzeit holen. Auch sie wählen den Weg der vorsichtigen Annäherung, des respektvollen Sichherantastens. Besonders aufschlussreich ist der Besuch seiner Bauten am Ossiacher See und in Hüttenberg, die Ausstellungsort und Exponat zugleich sind.

Hier spürt man, dass es richtig ist, sich gerade jetzt mit der Person und dem Werk Domenigs zu beschäftigen. In einer Zeit, in der die Architekturproduktion mehr denn je von Zahlen und rationalen Überlegungen geprägt wird, sich mit einer Architektur zu beschäftigen, die körperlich berührt, die durchaus auch irritiert. Die Ausstellung kommt aber auch zum richtigen Zeitpunkt, weil sie seinen Bauten, allen voran dem Bau in Hüttenberg, das Überleben sichern kann.

Opus magnum Steinhaus

Am besten beginnt man mit der Ausstellungstour in Klagenfurt im MMKK, um sich einen Überblick über das Œuvre Günter Domenigs zu verschaffen. Das Herzstück der Ausstellung ist sicherlich das Arbeitsmodell des Steinhauses. Wie um den Ort und die Aussage zu verdichten, hat hier der Künstler Peter Sandbichler die Decken mit Kartonagen tiefer abgehängt, einzelne Schlitze lassen die eigentliche Höhe des Raumes nur erahnen.

Der zweite Standort der Ausstellung, das Architektur Haus Kärnten, widmet sich der nächsten Generation. Denn Domenig war nicht nur Vertreter der Grazer Schule, sondern auch Professor für Wohnbau und Entwerfen an der TU Graz.

Nach dem Besuch in Klagenfurt geht die Fahrt zu seinem Opus magnum, dem Steinhaus am Ossiacher See, an dem Domenig fast 30 Jahre lang baute. Es ist ein Laboratorium aus Beton, Stahl und Glas. Es ist ein Haus, das an steinige Felsen erinnert und das den Nutzer mit seiner räumlichen Kraft und Poesie in seinen Bann zieht.

Anfangs wegretuschiert

Wurde der Bau anfänglich aus allen Werbeprospekten wegretuschiert, kann man bei einer heutigen Reise nach Ossiach beobachten, wie sich die öffentliche Wahrnehmung gewandelt hat und wie sehr die visuelle Kraft des Ortes zu unserer Zeit passt. Auch Modefotografen und Instagrammer inszenieren sich und andere an diesem bildstarken Ort.

Die letzte und zugleich abgelegenste Station der Ausstellungstour ist die Heft in Hüttenberg, wo 1995 die Kärntner Landesausstellung stattfand. Günther Domenig erweiterte dafür das stillgelegte Eisenhüttenwerk und schuf ein faszinierendes Spiel aus Transparenz und Masse, aus Alt und Neu.

Störrischer Charakterkopf

Nach dem Ende der Landesausstellung fand sich keine Nachnutzung, der Ort verfiel in einen Dornröschenschlaf und wurde erst jetzt für die Ausstellung Günther Domenig: Dimensional wiedereröffnet. Vorher schon ein kraftvoller Ort, ist hier nun durch die Überlagerung mit der Natur eine ganz besondere Atmosphäre entstanden.

Zehn Jahre sind eine kurze Zeit, und der Verstorbene ist in der Erinnerung seiner Wegbegleiter noch sehr lebendig, an Anekdoten über den störrischen Charakterkopf herrscht kein Mangel. Das Land Kärnten hat die breit angelegte Mehrfachausstellung großzügig unterstützt, das Geld floss zum Teil auch in die Instandsetzung der Bauten. So konnte sowohl das Steinhaus saniert als auch die Heft wieder für Besucher zugänglich gemacht werden.

Bau in Favoriten

Bleibt zu hoffen, dass sich nach der Ausstellungszeit für die Heft eine zu dem Ort passende Nutzung finden lässt. Hier ist sicherlich viel Kreativität gefragt. Für einen weiteren wichtigen Bau von Günther Domenig, die Z-Sparkasse in Wien-Favoriten, ist dies gelungen. Nach langem Leerstand ist in den Bau mit der auffälligen, sich über dem Eingang wie ein Maul aufwölbenden Metallfassade nun ein türkisches Restaurant eingezogen. Eine glückliche Entwicklung, scheint der Ort doch nun endlich von der multikulturellen Bewohnerschaft des zehnten Wiener Gemeindebezirks in Besitz genommen zu werden.

Nicht nur die visuelle, auch die visionäre Kraft von Domenigs Werk ist bis heute ungebrochen. Passend dazu schrieb Friedrich Achleitner über Günther Domenig: "Was an diesen Arbeiten vielleicht noch mehr beeindruckt, ist die umgekehrte Blickrichtung, die von der Utopie in die Realität führt, das Vermögen, Träume in einem Feld der Verwirklichung zu verankern." (Anne Isopp, 31.7.2022)