Wölfe sorgen in Tirol für heftige politische Diskussionen im Zuge des Landtagswahlkampfs.

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Innsbruck – Kaum ein Tag vergeht derzeit im Westen des Landes ohne Raubtiermeldungen. Allein diese Woche wurden vier Rissgeschehen, die auf große Beutegreifer zurückgehen dürften, in Tirol gemeldet. Auch im Salzburger Pinzgau wurde am Freitag ein möglicher Wolfsriss – es wäre der erste in diesem Jahr in Salzburg, in Tirol wurden bereits knapp 50 Zwischenfälle in dieser Saison registriert – gemeldet.

In der Nähe von Innsbruck treibt aktuell der Wolf mit dem Namen "158 MATK" sein Unwesen und könnte demnächst vom Jäger zum Gejagten werden. Dem Tier werden im Viggartal, dem Wattental und in der Gegend des Mittelgebirges bei Tulfes mindestens 20 Schafsrisse zugeordnet. Womöglich hat das Raubtier sogar schon 41 Schafe auf dem Gewissen – die DNA-Abklärungen laufen noch.

Wolf bis Ende Oktober von Schonzeit ausgenommen

Jedenfalls wurde am Montag die Entnahme des Wolfs "158 MATK", der aus der italienischen Population stammt, vom Fachkuratorium empfohlen, die Tiroler Landesregierung hat am Dienstag die entsprechende Gefährdungsverordnung beschlossen. Am Freitag wurde nun von der zuständigen Fachabteilung der entsprechende Bescheid vorgelegt. Darin ist festgehalten, dass ein Wolf in Jagdteilgebieten in den Gemeinden Ellbögen, Kolsassberg, Matrei am Brenner, Navis, Patsch, Rinn, Schmirn, Sistrans, Tulfes, Tux, Volders, Wattenberg, Wattens und Weerberg bis zum Ende der Almsaison am 31. Oktober von der ganzjährigen Schonzeit ausgenommen wird.

Gegen den Bescheid kann innerhalb von vier Wochen Beschwerde erhoben werden. Eine aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde wurde allerdings aberkannt.

Schon im Vorjahr war ein Abschussbescheid ausgegeben worden, der allerdings gekippt wurde. Damals hatte Problemwolf "118 MATK" Rückendeckung vom Landesverwaltungsgericht erhalten, das nach Beschwerden von NGOs den Abschussbescheid aufgehoben und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für nicht gültig erklärt hat. Das Land Tirol kündigte bereits an, den Europäischen Gerichtshof in der Sache anrufen zu wollen, um endlich Gewissheit über die Möglichkeit von Abschüssen der im Rahmen der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie streng geschützten Tiere zu erhalten.

ÖVP gerät unter Druck der Bauernschaft

Im Zuge des bereits angelaufenen Landtagswahlkampfs wird das Thema auch politisch heiß diskutiert. ÖVP-Spitzenkandidat und Wirtschaftslandesrat Anton Mattle kündigte an, das Jagdgesetz ändern zu wollen. So sollen Abschüsse schneller und unbürokratischer möglich werden. Die Volkspartei steht vor allem unter Druck der Bauernschaft, die sich im Stich gelassen fühlt und bereits offen mit einem "Zahltag" am Wahltag droht.

Druck macht zudem der Verein Weidezone Tirol, der nach eigenen Angaben mittlerweile 15.000 Mitglieder hat. Der Verein fordert die sofortige Schaffung einer legalen Möglichkeit, Wölfe und Bären in Tirol entnehmen, sprich erlegen zu dürfen. Andernfalls drohe das Ende der Almwirtschaft.

Opposition und Landesregierung im Wettstreit

Die Oppositionsparteien – SPÖ, FPÖ, Neos und Liste Fritz – haben Anfang Juli einen Dringlichkeitsantrag im Landtag eingebracht, in dem sie einen Weidezonenplan fordern. Demnach solle Tirol in drei Zonen unterteilt werden. In einer sollen die Beutegreifer vollumfänglichen Schutz genießen, in der zweiten bei Auffälligkeiten nach einem "Managementplan" entnommen werden können und in der dritten, bei Vorkommnissen, binnen 24 Stunden gemäß Jagdgesetz erlegt werden können.

In der letzten Landtagssitzung vor dem Sommer wurde mit einer Mehrheit der Koalitionäre ÖVP und Grüne ein Beschluss gefasst, der eine Prüfung von Weidezonen ermöglicht. In den Zonen soll der Umgang mit den Tieren definiert werden. Die Opposition hatte aus Protest gegen Schwarz-Grün geschlossen dagegen gestimmt. Erst vor einem Jahr wurde das Fachkuratorium eingerichtet, das über den Umgang mit auffälligen Tieren entscheiden soll.

Nachdem zuletzt Radfahrer im Tiroler Unterland einem Bären begegnet sind, forderte FPÖ-Chef Markus Abwerzger eine "Aktion scharf" gegen den Anstieg der Population großer Beutegreifer. Er erachtet Wölfe und Bären auch als Gefahr für den Tourismus.

Die Neos wiederum werfen VP-Chef Mattle vor, das Thema für den Wahlkampf zu instrumentalisieren. Der pinke Spitzenkandidat Dominik Oberhofer störte sich in erster Linie daran, dass Mattle dem Tier "158 MTK" den Beinamen "Patscherkofelwolf" gab: "Bei aller verständlichen Emotionalität sollten sich die ÖVP-Vertreter verbal im Griff haben. Denn mit so einer Bezeichnung werden sowohl die Bevölkerung als auch die Touristen verunsichert und suggeriert man, dass der Wolf beim Wandern am Zirbenweg eine Gefahr darstellt."

Jäger wollen bei Abschussgenehmigung anonym bleiben

Bedenken hinsichtlich eines Abschussbescheids kommen wiederum von der Jägerschaft. Man sei zwar grundsätzlich bereit zu helfen, erklärte Landesjägermeister Anton Larcher der "Tiroler Tageszeitung". Zugleich forderte er aber Anonymität: "Wenn allerdings in Abschussbescheiden für Großraubtiere wie Wolf und Bär die Namen und Adressen aller theoretisch berechtigten Jäger öffentlich gemacht werden, können wir von keiner Jägerin und keinem Jäger erwarten, dass er hier mitmacht, um danach Opfer von Radikalveganern und anderen Radikalen zu werden. Diese Praxis muss geändert werden, sonst kann ich keinem Mitglied des Tiroler Jägerverbands empfehlen, sich an der Entnahme von Raubtieren zu beteiligen."

Gleichzeitig wies Larcher darauf hin, dass es auch nicht die Verantwortung der Jäger sei, das Problem nun zu lösen. "Wir haben die Tiere weder ausgesetzt noch zurückgeholt, und schon gar nicht haben wir diese Aktionen, die bisweilen durchaus zweifelhaft abgelaufen sind, gutgeheißen. Wir haben gewarnt, und man hat uns Egoismus oder gar Jagdneid vorgeworfen." Mit einer sehr dramatischen Warnung versuchte der Landesjägermeister die Diskussion noch zu befeuern. Er trete für "eine andere Gangart" im Umgang mit Bär und Wolf ein, "bevor Menschen auf dem Speiseplan dieser Raubtiere landen". (Steffen Arora, APA, 29.7.2022)