Die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr wehrte sich monatelang gegen Angriffe aus der rechtsextremen Impfgegnerszene. Am Freitag wurde sie tot in ihrer Praxis aufgefunden.

Foto: Wakolbinger

Eine Nachricht erschütterte am Freitag viele Menschen in Österreich. Lisa-Maria Kellermayr, eine in Sachen Corona höchst engagierte Ärztin aus Oberösterreich, ist verstorben. Ohne Fremdverschulden, wie es vonseiten der Behörden hieß. Die Landärztin war seit Monaten von Corona-Gegnern bedroht worden, sowohl physisch als auch online. Ihre Praxis musste sie wegen der hohen Sicherheitskosten schließen, ihre Gesundheit war von den ständigen Attacken ruiniert worden.

Ganz alleingelassen wurde Kellermayr nicht: Viele Menschen gaben ihr Zuspruch und baten sie weiterzumachen. Doch die entscheidenden Stellen – jene, die die Macht hatten, tatsächlich etwas zu bewegen – haben viel zu zögerlich reagiert. Die Ermittlungen gegen Hassposter waren, zumindest vor der medialen Berichterstattung darüber, mehr als lasch. Die oberösterreichische Polizei richtete der Ärztin aus, sie würde sich "in die Öffentlichkeit drängen" und mit ihrer Kritik an mangelnder Hilfe durch die Behörden "das eigene Fortkommen fördern" wollen. Von der Ärztekammer hieß es, Kellermayrs Kassenarztstelle könne man "schnell besetzen, wenn sie frei wird".

Sieht so Solidarität aus? Muss man sich so behandeln lassen, wenn man für Gesundheit und Wissenschaftlichkeit kämpft und öffentlich dafür eintritt? Diese Fragen müssen in den kommenden Tagen und Wochen diskutiert werden, ganz unabhängig davon, warum genau und unter welchen Umständen Kellermayr ums Leben gekommen ist.

Aufklärung ist notwendig

Die Ereignisse müssen dringend aufgearbeitet werden, am besten auch im oberösterreichischen Landtag. Das Zusammenspiel von impffeindlichen, rechtsextremen Medien und Teilen der Landespolitik, die diese auch finanzieren, hat einen gefährlichen Nährboden für Hass und Hetze geschaffen. Der Mob organisiert sich auf Telegram und bedrängt seine Ziele in konzertierten Aktionen, bis die nicht mehr können. Und die Polizei findet nicht den richtigen Weg und schon gar nicht den richtigen Ton, um darauf zu reagieren.

Das soll nicht heißen, dass die Behörden am Tod von Kellermayr schuld sind; das würde diese Tragödie zu sehr vereinfachen. Die Frage, warum ihr so wenig geholfen wurde, hätte man auch ohne ihren mutmaßlichen Suizid klären müssen. Er macht die Untersuchung aber umso drängender, weil Kellermayr für viele Menschen zu einem Symbol dafür geworden ist, wie man sich trotz massiver Widerstände und Angriffe weiter engagieren kann. Ihr Tod ist ein furchtbares Signal für all die anderen, die gegen Corona-Gegner kämpfen. Ihnen und Kellermayr ist man es schuldig, Aufklärung zu finden. (Fabian Schmid, 29.7.2022)