Eine künstlerische Rekonstruktion des Riesenpandas "Agriarctos nikolovi", angefertigt vom Zeichner Velizar Simonovski aus Chicago.
Foto: © Velizar Simeonovski, Chicago

Nicht immer werden neue Arten in freier Wildbahn entdeckt. Das nun entdeckte Tier fand sich in einem Archiv im bulgarischen Museum für Naturgeschichte. Gefunden wurden die zugehörigen Fossilien bereits in den 1970ern. Konkret handelt es sich um zwei Zähne, einer davon ein Eckzahn, die aus einem Kohleabbaugebiet im Nordwesten Bulgariens stammen.

Handschriftliche Notiz

Katalogisiert hat die Zähne einst der Paläontologe Ivan Nikolov, der eine unklare handschriftliche Notiz hinterließ. "Es dauerte Jahre, bis ich das Alter und den Fundort richtig zuordnen konnte", sagt Professor Nikolai Spassov, der die gemeinsam mit einem Kollegen in China gewonnenen neuen Erkenntnisse nun im "Journal of Verbrate Paleontology" veröffentlicht hat.

Gelebt hat das Tier, das zu den Riesenpandas gezählt wird, im Miozän vor etwa sieben Millionen Jahren. Im Gegensatz zu heute lebenden Pandas ernährte sich der europäische Panda nicht von Bambus, der in Bulgarien zu seinen Lebzeiten selten war. Es gibt Zweifel, ob die Zähne zum Zerbeißen der harten Fasern überhaupt stark genug gewesen wären. Vegetarier dürfte er allerdings gewesen sein.

Vergleichbare Größe

Während andere Bären in der Regel Allesfresser sind und das im Lauf ihrer evolutionären Entwicklung auch blieben, geht Spassov davon aus, dass die zu dieser Zeit ebenfalls vorkommenden großen Raubtiere sowie andere Bären eine zu große Konkurrenz um Fleisch darstellten und das Tier daher zumindest überwiegend zum Pflanzenfresser machten. Der Eckzahn ist größenmäßig durchaus vergleichbar mit den Eckzähnen heutiger Pandas und zur Verteidigung gegen Feinde geeignet. Er zeigt auch, dass dieser europäische Panda mindestens von vergleichbarer Größe war wie seine heute lebenden Verwandten.

Heutige Pandas sind ganz auf Bambus spezialisiert. Doch auch ihre prähistorischen europäischen Verwandten ernährten sich überwiegend vegetarisch.
Foto: AFP or licensors

Umweltveränderungen führten zu Aussterben

Als Grund für das Aussterben der nun entdeckten Spezies wird der Klimawandel im Miozän genannt, der im fast vollständigen Austrocknen des Mittelmeers gipfelte. Das habe auch auf dem Gebiet des heutigen Bulgarien zu großen Umweltveränderungen geführt. "Riesenpandas sind stark spezialisiert", gibt Spassov zu bedenken. Zwar sei die Spezialisierung nicht so extrem wie bei heutigen Pandas, die rein auf Bambus angewiesen sind und dafür extra eine Art zusätzlichen Daumen entwickelt haben, dennoch sei anzunehmen, dass dieser europäische Panda den Verlust seines warmen, bewaldeten Lebensraums nicht überstanden habe.

Europa als möglicher Ursprung

Bei der richtigen Zuordnung der Zähne half Qigao Jiangzuo, der in Peking forscht und Co-Autor der Arbeit ist. Ihm gelang es zu zeigen, dass das Tier zur Unterfamilie der Ailuropodinae gehört. Heute gibt es nur noch einen lebenden Vertreter, aber ursprünglich waren Riesenpandas zwischen Europa und Asien weit verbreitet. Tatsächlich stammen die ältesten Funde aus Europa, weshalb Spassov mutmaßt, dass die Ailuropodinae sogar in Europa entstanden sein könnten. Ein direkter Vorfahre der heutigen Pandas war der nun entdeckte Bär nicht, aber ein sehr enger Verwandter, wie Spassov betont.

Benannt wurde der neue Panda nach seinem Entdecker aus den Siebzigern "Agriarctos nikolovi". Praktischerweise passt das "nicolovi" auch zum Vornamen des Studienautors Nikolai Spassov. (Reinhard Kleindl, 1.8.2022)