Elīna Garanča und Dirigent Christian Thielemann mit der "Rhapsodie für eine Altstimme, Männerchor und Orchester op. 53" von Johannes Brahms.
Foto: SF / Marco Borrelli

Salzburg – Überwältigendes Aufbegehren. Subtiles Sich-Bescheiden. Es war das erste Konzert der Wiener Philharmoniker bei den diesjährigen Salzburger Festspielen und ein erstes Highlight. Neunte Bruckner. Vom ersten noch vergleichsweise verhaltenen Crescendo, von den ersten pochenden, bohrenden Rhythmen an: Christian Thielemann und die "Wiener" rissen ihr Publikum mit in einen kontrolliert entwickelten Sog, der sich be- und entschleunigte zwischen Plätschern und Malstrom.

Hat der erste Satz die Erde beben lassen, war das Scherzo ein ausgewachsener Meteorsturm. Wie eine Katastrophe aus dem Nichts heraus, lässt Thielemann Bruckners dramatische Ereignisfolgen in d-Moll scheinbar harmlos anfangen, Fahrt aufnehmen. Lässt gegen das widerspenstige, vernichtungsresistente Motiv mit immer neuen Kräften anrennen: ein direkter Angriff auf alles, was da lebt.

Dass Thielemann von seinen Orchester-Mitstreitern nicht brutale Gewalt anwenden lässt, sondern sich selbst im mehrfachen Fortissimo erstaunlich durchhörbarer Delikatesse befleißigt, ist ein Markenzeichen. So war denn auch genug Luft nach oben, um im Adagio noch mehrere Schäuflein nachzulegen.

Hohe Zustimmung des Publikums

Neue Zerrissenheit. Ursumpf der Verzweiflung. Und dann jenes "fromme" singend aufsteigende Gebet. Das finale, noch einmal gesteigerte Fortissimo wich verklärter Todes-Nacht – und einem erneuten Tumult: Auch die Zustimmung des Publikums hatte mehrfaches Forte. Zuvor wurde übrigens der steinige Weg vom Dunkel zum Licht im Miniaturformat quasi probeweise durchgespielt – mit Elīna Garanča und der Rhapsodie für eine Altstimme, Männerchor und Orchester op. 53 von Johannes Brahms. La Garanča sang, wenig wortdeutlich, aber profund im Klang, die Worte Goethes. Die Herren der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, einstudiert von Jörn Hinnerk Andresen, kommentierten elegant und geschmeidig mit homogenem Chorklang. (Heidemarie Klabacher, 29.7.2022)