Es ist nicht anzunehmen, dass Greta Thunberg Wladimir Putin zu ihren Verbündeten zählt. Aber so paradox es auch klingt, hat der russische Diktator zuletzt mehr zur Beendigung des fossilen Zeitalters beigetragen als alle Fridays-for-Future-Aktivistinnen. Deren langjährige Forderung, die drastische Verteuerung von Öl und Gas, hat Putin mit dem Überfall auf die Ukraine und seiner energiepolitischen Erpressungspolitik erfüllt – rascher und stärker, als es sich eine noch so grüne Regierung getraut hätte.

Es ist nicht anzunehmen, dass Greta Thunberg Wladimir Putin zu ihren Verbündeten zählt.
Foto: REUTERS/DYLAN MARTINEZ

Dennoch überwiegen derzeit die Stimmen, die die aktuelle Energiekrise als Gefahr für die Klimawende einschätzen. Denn die Preisexplosion bei Treibstoffen, Gas und Strom und die daraus resultierende Inflation haben eine Welle der Verzweiflung und Wut in der Bevölkerung ausgelöst, die alle Sorgen wegen der furchtbaren Folgen der Erderwärmung übertrifft. Weltweit kämpfen Regierungen darum, Energie – egal ob fossil oder erneuerbar – erschwinglich zu halten oder den Kostenschub für Haushalte und Unternehmen abzufedern. Der klimapolitische Lenkungseffekt, den Putins Energieschock erwirken könnte, wird damit aber leider oft untergraben.

Österreichs Kurs ist unpopulär doch vernünftig

Österreich ist bisher einen klügeren Kurs gefahren als viele andere Staaten, hat trotz Drucks der Medien und der Opposition auf direkte Eingriffe in die Preisbildung verzichtet und lieber mit Direktzahlungen geholfen, die die Anreize zum Energiesparen nicht senken. Dieser Kurs ist vernünftig, aber nicht populär: Die Mehrheit der Haushalte kann sich auch deutlich höhere Preise für Strom, Gas und Sprit leisten; vor einigen Jahrzehnten waren Energie und Essen im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen teurer als heute. Aber das ändert nichts am psychologischen Schock, den Menschen an der Tankstelle, im Supermarkt oder beim Bezahlen von Rechnungen erleben. Und dagegen helfen die vielen Zuschüsse der türkis-grünen Regierung wenig – vor allem, wenn sie auf sozial Schwächere beschränkt werden.

Vor einigen Jahrzehnten waren Energie und Essen im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen teurer als heute.
Foto: APA/BARBARA GINDL

Im Spannungsfeld zwischen Volkszorn und Klimapolitik findet sich nun der Start der CO2-Bepreisung. Die erste Verschiebung von Juni auf Oktober, wenn auch der Klimabonus ausgezahlt wird, war politisch nachvollziehbar. Ein weiterer Aufschub, wie ihn nun immer mehr ÖVP-Granden fordern, damit der Spritpreis nicht um ein paar Cent mehr steigt, wäre aber völlig falsch. Dann müsste man auch den Klimabonus streichen, was Haushalte letztlich mehr Geld kosten würde. Es würde die Klimapolitik der Regierung völlig unglaubwürdig machen und die Grünen brüskieren. Diese sitzen hier auf dem längeren Ast, denn die Einführung ist beschlossen. Ja, die Inflation wird dadurch noch etwas zunehmen, ebenso die Proteste im Land. Aber die größte Krise unserer Zeit ist nicht die Teuerung, sondern das Klima.

Langfristig sollte das Ziel der Politik in Österreich und der EU sein, den Putin-Schock als Chance für die Klimawende zu nutzen. Öl- und Gaspreise werden wieder fallen, dafür sorgen eine sinkende Nachfrage und die Dynamik des Markts. Nun müssten klare Signale kommen, dass fossile Energie nie wieder so billig sein wird wie vor dem Krieg, dass es sich auszahlt, in erneuerbare Quellen zu investieren und das Verhalten langfristig zu ändern.

Ein erster Schritt dorthin ist ein verlässlicher Start der CO2-Bepreisung, die dann auch stärker als geplant steigen sollte. Das ist nicht populär, aber klug.(Eric Frey, 29.7.2022)