Figuren von Verena Bretschneider aus der Sammlung Chobot. Viel Spaß!
Foto: Albertina Wien

Den Platz haben die Touristen wieder zurückerobert. Unter dem Denkmal Erzherzog Albrechts auf der Wiener Albertinabastei suchen Besucherinnen den perfekten Schnappschuss von Staatsoper plus Würstelstand und Fiaker. Dort, wo die Selfiesticks und Poser regieren, setzt die Albertina taktisch klug eine Skulptur auf das prominente Vordach des Museums, das selbst als beliebtes Fotomotiv gilt.

Vergangene Woche landete dort ein politisches Statement, das die Kulisse ganz bewusst trübt. Das Objekt des kroatischen Künstlers Vladimir Dodig Trokut, das über den Galeristen Milos Glavurtic an die Albertina kam, zeigt eine überdimensionale Pistole in einem drei Meter hohen Käfig. Der Titel Imagine sagt alles: Sperrt die Gewalt hinter Gitter! Lasst uns an einer friedlichen Welt arbeiten! Tragt den Gedanken in die Welt hinaus! Bilder sagen mehr als tausend Worte.

Bilder sagen mehr als tausend Worte: Die politische Skulptur des kroatischen Künstlers Vladimir Dodig Trokut stört bewusst die Kulisse der Albertinabastei.
Foto: IMAGO / Martin Juen / SEPA.Media

Auch im Inneren des Museums reagierte die Albertina auf aktuelle weltpolitische Entwicklungen mit der Ende Mai konzipierten kleinen Ausstellung Die Schrecken des Kriegs. Goya und die Gegenwart mit Kriegsbildern des ukrainischen Fotografen Mykhaylo Palinchak. Und auch abseits dieser sehr aktuellen, kurzfristig organisierten Projekte eröffnete das Museum in den vergangenen Wochen zahlreiche neue Ausstellungen. Vieles musste wegen Covid-Verzögerungen nämlich verschoben werden. Den sommerlichen Besucherinnen, die den heißen Außentemperaturen in die kühlen Hallen der Kunst entfliehen, wird nun ein pralles Programm geboten.

Penisse und Plastikteile

Neben Skulpturen des britischen Bildhauers Tony Cragg, aktuellen Werken des Malers Hans Weigand sowie dem Dauerbrenner Monet bis Picasso gibt es die umfassende Überblicksschau der Sammlung Chobot sowie eine Soloshow des italienisch-US-amerikanischen Künstlers Francesco Clemente zu sehen. Letzterer steht in seinem Werk oft selbst in Porträts oder spielerischen Beobachtungen im Zentrum. Darin ist er splitterfasernackt, reitet blödelnd auf einem Karussell-Einhorn oder verwandelt sich in einem Tarotkartenset zum Narr – mit nacktem Popsch und ernster Miene.

Blick auf sich selbst: Francesco Clementes "Self-portrait with eyes".
Foto: Francesco Clemente

Als großzügige Schenkung gingen im Jahr 2019 mehr als 800 Werke des Sammlerpaares Dagmar und Manfred Chobot an die Albertina und ergänzten so Bestände und füllten Sammlungslücken. Der umfassende Einblick zeigt nun die wichtigsten Positionen dieser Schenkung österreichischer Kunst nach 1945. Darunter finden sich Namen wie Bruno Gironcoli, Adolf Frohner, Alfred Hrdlicka. In den 1970er-Jahren erwarb das Paar Chobot Arbeiten von Patienten der Nervenheilanstalt Maria Gugging. Gugginger Künstler wie Oswald Tschirtner oder August Walla wurden zu einem der Sammlungsschwerpunkte.

Zwischen poppigen Plexiglasskulpturen von Cornelius Kolig und Gemälden ejakulierender Körper von Franz Ringel widmet sich ein zentraler Raum der wenig bekannten Verena Bretschneider, die sogar für Direktor Klaus Albrecht Schröder und Kuratorin Elsy Lahner eine "Entdeckung" war: Aus Gegenständen wie Unterwäsche, Staubsaugeraufsätzen oder Plastikspielzeug gestaltet die Künstlerin bunte Wandfiguren. Ein Spaß!

Süß!! Musiker Elton John 1992 in München, fotografiert von Gottfried Helnwein.
Foto: Albertina Wien

Ikonisches Namedropping

Im Tochterhaus Albertina modern läuft noch die Blockbustershow des chinesischen Kunststars Ai Weiwei. Im Untergeschoss öffnete diese Woche die Sammlungspräsentation The Face. Avedon bis Newton, die ausgewählte Werke zeitgenössischer Porträtfotografie vereint.

Endend mit einem Big Nude von Helmut Newton sowie Gottfried Helnweins Riesenporträts von Berühmtheiten wie Elton John (sehr jung!) oder Andy Warhol, spannt sich die Schau über geschickt eingefädelte zeitgenössische österreichische Fotokünstler wie Bernhard Fuchs bis zu den ikonischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen Richard Avedons. Auch diese funktionieren übrigens gut als Fotohintergrund. Das Bild im Bild sozusagen. (Katharina Rustler, 30.7.2022)