Auch am Sonntag kann es nur einen geben, nämlich einen neuen Europameister. England und Deutschland spielen um die Krone.

Foto: IMAGO/Shutterstock

Am Sonntag ist es so weit. Der Showdown, die Exegese, das Spiel, auf das viele lange gewartet haben, steht an. Mit dem Finale zwischen Deutschland und England (18 Uhr, ORF 1) schließt die Europameisterschaft der Frauen in England. Der US-amerikanische Fantasy-Autor Dean Kootz hat einmal gesagt: "In the end, it’s all about perserverance." Am Ende geht es immer um Ausdauer. Manchmal sagt man auch: "Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei." Das ist jetzt aber egal.

Wenn England im ausverkauften Wembley-Stadion um den ersten großen Titel seit dem Triumph der Männer bei der WM 1966 spielt, hat sich das Land längst eingestellt. Eingestellt auf ein Frauenfußballturnier, das Rekorde gebrochen hat. Noch nie haben so viele Zuschauer eine Endrunde im Stadion mitverfolgt. Auch seitens der übertragenden TV-Sender werden Überschwänglichkeiten vermeldet. Wenn spätestens am Sonntag wieder der Hit der Lightning Seeds Football’s coming home bemüht wird, bleibt schon vor dem letzten Schlusspfiff des Turniers der Eindruck, dass der Fußball schon längst zuhause angekommen ist.

Bitte kein Déjà-vu

Sportlich ist es schwierig, einen Favoriten auszumachen. Da sind einerseits die englischen Löwinnen, die nur kurz stotterten, nämlich beim 1:0 gegen Österreich und beim 2:1 nach Verlängerung gegen Spanien. Der Rest war ein Fest. Norwegen und Schweden wurden abgeschossen, das Land in eine Euphorie gepusht. Alle wollen den Titel.

Im vergangenen Jahr blieb dieser bei den Männern verwehrt. Die Finalniederlage im Elfern gegen Italien schmerzte die Nation noch lange. Auf ein Déjà-vu hat auf der Insel keiner Lust: "Hoffentlich wird das Finale viel besser als das der Männer", sagte Trainerin Sarina Wiegman. Der Heimvorteil ist, wie er schon sagt, ein Vorteil, bringt aber auch Druck mit sich. Bei den Engländerinnen will man offiziell von Nervosität nichts wissen.

Auf der anderen Seite ist da Deutschland. Ein junges Team, das sich aus der ungewohnten Tristesse der kürzlichen Vergangenheit geschoben hat. Die Elf von Martina Voss-Tecklenburg ließ das Viertelfinal-Ausscheiden 2017 vergessen machen, spielt eine fantastische Endrunde.

Renaissance

Im Mittelpunkt sind da vor allem Stürmerin Alexandra Popp, die wie am Fließband trifft, und Lena Oberdorf, die wohl beste Sechserin des Turniers. Gerade die 20-jährige Mittelfeldspielerin vom VfL Wolfsburg könnte stellvertretend für eine Art Umbruch im deutschen Team stehen. Und für ein Ausrufezeichen der deutschen Bundesliga. Bis auf Sara Däbritz sind alle, die bei der Euro zum Einsatz kamen, in ihrer Heimat engagiert.

Vor dem Turnier war Deutschland nicht Topfavorit. Für die Spielerinnen freilich eine Genugtuung: "Kein Schwein hat mit uns gerechnet", sagte etwa Popp nach dem Einzug ins Finale.

Das Finale verspricht jedenfalls Spektakuläres. Wird die bislang starke Defensive um Englands Millie Bright Popp in den Griff gekommen? Werden Oberdorf und Co den kreativen und torgefährlichen Engländerinnen etwas entgegenzusetzen haben? Voss-Tecklenburg erwartet jedenfalls ein "Fußballfest". Und das würde zum restlichen Turnier passen. (Andreas Hagenauer, 30.7.2022)