Zwei Hüte hat Porsche-Chef Oliver Blume künftig auf. Das könnte für den Chef von Volkswagen Interessenkonflikte bringen.

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Wien – Die Doppelfunktionen sind das Problem. Deren gibt es im Weltautokonzern Volkswagen jede Menge, und am 1. September soll nach dem Willen der Eigentümerfamilien Porsche und Piëch noch eine dazukommen: Porsche-Chef Oliver Blume wird Herbert Diess ersetzen und in Personalunion Chef des Mutterkonzerns werden.

Das stößt Investoren sauer auf. Nicht nur, weil Diess’ Vertrag gerade einmal vor einem Jahr vorzeitig und ohne Not verlängert wurde. Vor einer Woche wurde Diess de facto abgesetzt, er ist künftig Berater.

Ämterhäufung

Ämterhäufung ist in Wolfsburg durchaus üblich. Aufsichtsratspräsident Hans-Dieter Pötsch ist zugleich Vorstandschef der Holding der Eigentümerfamilien Porsche und Piëch, der Porsche SE. Porsche-Finanzchef Lutz Meschke, möglicherweise ein Kandidat für die Nachfolge von Blume als Porsche-Chef, managt zugleich die Finanzen der PSE. Das führe zu mangelnder Kontrolle bei Volkswagen. "Der VW-Konzern müsste all diese Doppelbesetzungen abschaffen", zitierte Reuters den Nachhaltigkeitschef der Fondsgesellschaft Deka, Ingo Speich.

Vor allem Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Porsche-Börsengangs werden laut. Laut einer Umfrage des Investmenthauses Bernstein Research unter 58 Investoren sprachen sich 42 Prozent für den Börsengang aus, 41 Prozent sind dagegen. Fast drei Viertel sehen es allerdings grundsätzlich als negativ an, wenn der künftige Volkswagen-Chef Blume dauerhaft zwei Hüte tragen würde. In dem Fall fiele ein zentrales Argument für den milliardenschweren Porsche-Börsengang weg.

Mehr Freiheit, aber kurze Leine

Denn mehr unternehmerische Freiheit zur Steigerung des Werts von Porsche mit Renditen jenseits der 20 Prozent, wie von Blume in Aussicht gestellt, stünden womöglich im Widerspruch zu den Interessen der Akteure in Wolfsburg und der Porsche AG. Die Ziele seien womöglich nicht deckungsgleich mit jenen des Kapitalmarkts.

Die zutage tretenden Probleme der Unternehmensführung bei Volkswagen könnten zu Abschlägen auf den Porsche-Aktienkurs führen. Solche Bedenken äußerten die Deutsche-Bank-Investmenttochter DWS, das Sparkassen-Fondshaus Deka und der Kleinaktionärsverband DSW. Die Rochade bei Volkswagen werde den Aktienkurs des Dax-Konzerns belasten, fürchten zwei Drittel der Befragten. Nur 22 Prozent sagen Kursgewinne voraus.

Führungskrisen

Der Aufsichtsrat von Volkswagen hatte Diess vergangene Woche abberufen, nachdem Streit und Führungskrisen auf der Tagesordnung standen. Diess hatte Europas größten Autobauer nach dem Dieselskandal zwar entschlossen auf Elektromobilität umgekrempelt – und hatte damit alle überrascht –, die anhaltenden Probleme mit der hauseigenen Softwaretochter Cariad allerdings führten zunehmend zu Auseinandersetzungen zwischen den Konzerntöchtern. Am Ende reichten die Anerkennung an der Börse und der zeitweise beflügelte Kurs der VW-Aktie allerdings nicht.

Nach außen hin gibt sich der Wolfsburger Konzern von der Kritik an den Doppelfunktionen unbeeindruckt. Die genaue Aufteilung der Aufgaben an der VW-Konzernspitze nach Diess’ Abgang sei im Detail noch nicht geklärt. "Wir haben die Spezifika noch nicht ausgearbeitet. Aber meine Arbeit wird sich wahrscheinlich nicht sehr von dem unterscheiden, was ich heute tue", sagte Finanzchef Arno Antlitz bei Vorlage der Halbjahreszahlen, die er ohne Diess präsentiert, der sich am Tag seines Rauswurfs mit "Happy Holidays" in die Ferien verabschiedet hatte – ohne seinen längst besiegelten Abgang zu erwähnen.

Die Baustellen

Blume, der als Teamplayer gepriesen wird, erwarten einige Baustellen: Das so wichtige China-Geschäft schwächelt, und der Aufbau von Cariad läuft nicht so, wie sich das die Erben von "Käfer"-Entwickler Ferdinand Porsche vorstellen. Technische Probleme beim neuen Golf oder dem ersten wichtigen Elektroautomodell ID.3 wurden Diess ebenso angelastet. Rückläufig ist allerdings nicht nur der Absatz von Volkswagen, es wurden auch weniger Sportwagen verkauft. Im Gegensatz zu Porsche ist der Gewinn von Volkswagen im zweiten Quartal allerdings um ein Viertel eingebrochen.

Software entscheidet

Die Ablöse von Diess zeige, welch Riesenherausforderung das "Software Defined Car" für traditionelle Autokonzerne sei, sagt Autoprofessor Ferdinand Dudenhöfer. "Autobauer werden Tech-Unternehmen, wie Google, Apple, Microsoft – oder sie werden abhängig von den Software-Schwergewichten."

Finanzchef Antlitz soll den neuen Volkswagen-Chef im Tagesgeschäft als Chief Operating Officer (COO) unterstützen. Details zum Zuschnitt der Funktionen werde es spätestens im September geben. Blumes Vertrag sei "50 zu 50" zwischen beiden Unternehmen aufgeteilt. (Luise Ungerboeck, 30.7.2022)