Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) traf eine Entscheidung. Die Gecko-Kommission von Katharina Reich hatte eine andere nahegelegt.

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Wer Corona-positiv ist, muss künftig zwar nicht mehr in Quarantäne, sollte seine Masken aber dennoch nicht entsorgen: Die Verkehrsbeschränkungen schreiben das Maskentragen in den meisten Bereichen des öffentlichen Lebens vor.

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Bundeskanzler Karl Nehammer führte Gecko ein, um Pandemieentscheidungen evidenzbasiert fällen zu können. Die Quarantäne wurde trotz starker Zweifel aus dem Gremium aufgehoben.

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"Ich bin froh, dass wir für Gecko die absolut besten Expertinnen und Experten, unter Führung eines Generals und des Gesundheitsministeriums gewinnen konnten. Sie werden uns helfen, die notwendigen Entscheidungen vorzubereiten und zu treffen", sagte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) – damals, im Dezember, als er die Gesamtstaatliche Krisenkoordination (Gecko) präsentierte.

Acht Monate später gibt es Gecko noch, die Kommission liefert auch weiter Ratschläge und wissenschaftliche Erkenntnisse – aber allzu stark schlägt sich das in der Regierungspolitik nicht mehr nieder. Das wird bei den jüngst verkündeten Änderungen der Corona-Regeln deutlich. Gecko argumentiert im aktuellen Bericht, dass die Abschaffung der Quarantäne für Corona-Positive "mit einer Reihe von unkalkulierbaren Risiken verbunden" sei. Solche Maßnahmen sollten wenn, dann in Zeiten stark sinkender Infektionszahlen stattfinden – nicht in Plateauphasen wie aktuell.

Dennoch sprechen sich Nehammer und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) vehement dafür aus, dass Infizierte ab Montag mit Maske das Haus verlassen dürfen. Die Verfassung schreibe vor, dass Regierungsmaßnahmen zweckmäßig und verhältnismäßig sein müssten, argumentierte der Kanzler im Puls24-Sommergespräch. Dies wäre mit der Absonderung bei der Omikron-Variante nicht mehr gegeben gewesen.

Matzka warnt Rauch vor strafrechtlichen Konsequenzen

Die juristische Einschätzung ist nicht unumstritten: Manfred Matzka, langjähriger Leiter der Präsidialsektion im Bundeskanzleramt, stellt sogar strafrechtliche Konsequenzen für Rauch in den Raum: Die Tatbestände der Delikte "vorsätzliche Gemeingefährdung" und "fahrlässige Gemeingefährdung" seien "sehr allgemein umschrieben, so dass jede Handlung eines Menschen erfasst ist, die eine Gesundheitsgefahr für eine größere Zahl von anderen Menschen herbeiführt. Die Erlassung einer Verordnung durch einen Bundesminister ist beispielsweise eine derartige Handlung", schreibt der Jurist in einem Brief an Rauch, der dem STANDARD vorliegt.

Im "dann gegen Sie eingeleiteten Strafverfahren" müsse Rauch dann beweisen, dass er durch die Aufhebung der Quarantäne keine solche Gefahr herbeigeführt habe. "Angesichts dieser Anforderungen einerseits und der Kenntnis des Qualitätsniveaus der juristischen Vorarbeiten in Ihrem Ressort und in Ihrem Ministerbüro andererseits wünsche ich Ihnen da recht viel Glück. Sie werden es brauchen." Noch sei es aber nicht zu spät, die Verordnung wieder aufzuheben.

JKU: "Kapitulation vor einem zunehmenden Rechtsbruch"

Zumindest implizite Kritik kommt von der Linzer Johannes Kepler Uni (JKU). Diese empfiehlt ihrem Personal weiterhin, bei einer Corona-Infektion immer daheim zu bleiben, berichtet die Austria Presse Agentur. Das gesundheitliche Risiko und die Rechtsfragen, die man mit der Verordnung eröffne, seien für ihn "nicht nachvollziehbar", sagt Rektor und Jurist Meinhard Lukas. Er könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass "das Quarantäne-Aus ein stückweit eine Kapitulation vor einem zunehmenden Rechtsbruch" in Teilen der Bevölkerung sei.

Pflegevertreterin zweifelt an Praxistauglichkeit

Für besonders viel Aufregung sorgte die Abschaffung der Quarantäne im sensiblen Gesundheitswesen. Vor allem die Umsetzung der Betretungsverbote für Corona-Infizierte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sehen Fachleute kritisch – insbesondere wegen der Schwierigkeit, die Regelung zu kontrollieren. Die Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV), Elisabeth Potzmann, äußerte zudem scharfe Kritik daran, dass symptomlose Personen nun trotz Infektion arbeiten gehen müssen.

Gerade im Pflegebereich arbeitende Menschen würden eine besondere Verantwortung für Vulnerable tragen. "Wenn eine pflegende Person zum Beispiel mit einem Patienten in die Dusche geht, wird die Maske natürlich nass", sagt sie im Gespräch mit dem STANDARD. Eine nasse Maske aber würde nicht schützen.

Am Freitag führte Potzmann ein Gespräch im Gesundheitsministerium. Dort habe man für ihre Sorgen Verständnis geäußert. Vieles davon liege nun aber gar nicht mehr im Einfluss des Gesundheits-, sondern des Arbeitsministeriums, weil es um arbeitsrechtliche Fragen gehe. "Es ist zu befürchten, dass der Ball zwischen den Ministerien hin- und hergespielt wird", sagt Potzmann.

Wien und Burgenland scheren aus

Nicht betreffen werden die Sorgen Potzmanns jedenfalls Gesundheitseinrichtungen in Wien. Denn in Spitälern, Pflegeeinrichtungen und auch Kindergärten und Schulen der Hauptstadt werden auch weiter keine positiv getesteten Mitarbeiter zum Einsatz kommen. Unter permanenter Maskenpflicht dürfen sie nur in Bereichen ohne Kundinnen- und Kundenkontakt, also etwa für Telefonauskünfte arbeiten, wie die Stadt am Freitag bekanntgab. Dazu wurden "Kund*innenbereichs-Empfehlungen" veröffentlicht, in denen "an die Mitverantwortung und Rücksichtnahme eines jeden Einzelnen" appelliert wird.

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) hat am Freitag angekündigt, dass Mitarbeiter, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, im landesnahen Bereich auch nach dem Quarantäne-Aus am kommenden Montag zu Hause bleiben müssen. Das berichtet die APA. Symptomlose können, wenn möglich, Homeoffice machen, dürfen aber nicht persönlich zum Dienst erscheinen. Betroffen sind neben Landesbediensteten auch Landeslehrer, Mitarbeiter der KRAGES-Spitäler und Pflegeheime.

Weniger Symptomlose seit Omikron

Kritik an den Regierungsmaßnahmen wurde auch wegen der Befürchtung laut, Corona-Kranke könnten am Arbeitsplatz Kolleginnen und Kollegen anstecken – Rauch pochte dabei darauf, dass nur Gesunde arbeiten dürften. Wie viele Infizierte tatsächlich komplett symptomlos bleiben, ist unklar: Laut einer britischen Studie sei bei der Omikron-Variante BA.1 rund ein Viertel der Infizierten völlig symptomlos gewesen, sagt Virologin Judith Aberle von der Med-Uni Wien im STANDARD-Gespräch. Mit der Variante BA.2 sei der Anteil der Symptomlosen dann leicht zurückgegangen. Für die aktuellen Varianten BA.4 und BA.5 lägen indessen noch keine Studienergebnisse vor.

Stark zurückgegangen sind mit Omikron typische Covid-19-Symptome wie etwa Geruchsverlust. Bei Omikron sind nur noch weniger als zehn Prozent davon betroffen. Fieber hatten sowohl bei Delta als auch bei Omikron nur 20 bis 30 Prozent, Husten 40 bis 50 Prozent. (Sebastian Fellner, Martin Tschiderer, 29.7.2022)