Am Freitagnachmittag haben sich Trauernde vor dem Gesundheitsministerium in Wien versammelt.

Foto: Göltl

Die oberösterreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr, die zuvor ihre Praxis aufgrund von Morddrohungen aus der Impfgegner-Szene schließen musste, wurde einem Bericht des "Falter" zufolge vor zwei Wochen in eine psychiatrische Anstalt aufgenommen. Dort wurde sie nach einem Tag entlassen – theoretisch wäre es möglich gewesen, sie aufgrund der vermuteten Gefahr einer Selbstgefährdung einzuweisen.

Nach Kellermayrs Tod mehren sich in sozialen Medien Beileidsbekundigungen. Am Montag ist eine Gedenkveranstaltung in Wien geplant. Die Ärztin starb mutmaßlich durch Suizid, ein Fremdverschulden wurde von den Behörden ausgeschlossen. Zuvor war sie monatelang in unregelmäßigen Abständen Repressalien bis hin zu Morddrohungen aus der Covid-Maßnahmengegner- und Impfgegner-Szene ausgesetzt gewesen. Die Medizinerin hatte über längere Zeit Polizeischutz erhalten, nach eigenen Angaben aber auch selbst rund 100.000 Euro für Schutzmaßnahmen ausgegeben. Sie hatte kritisiert, nicht ausreichend von den Behörden geschützt zu werden.

Versammlung vor Ministerium

Schon am Freitagnachmittag hatten sich Trauernde vor dem Gesundheitsministerium in Wien versammelt, um der verstorbenen Ärztin zu gedenken.

Fotos der kurzfristigen Gedenkveranstaltung.
Foto: Göltl

Bundespräsident Alexander Van der Bellen rief in einer Twitter-Botschaft dazu auf, "dieses Einschüchtern und Angst machen" zu beenden: "Hass und Intoleranz haben in unserem Österreich keinen Platz. Finden wir am Ende immer einen Weg, friedlich miteinander zu leben. Stärken wir den Zusammenhalt".

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), dessen Rücktritt die Ärztin vor zwei Tagen noch gefordert hatte, reagierte ebenfalls bestürzt auf die Nachricht vom Tod Kellermayrs: Sie habe "ihr Leben der Gesundheit und dem Wohlergehen anderer gewidmet. Morddrohungen gegen sie und ihre Mitarbeitenden waren brutale Realität. Hass gegen Menschen ist unentschuldbar. Dieser Hass muss endlich aufhören", schrieb er auf Twitter.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) reagierte ebenfalls per Tweet auf den Tod der Ärztin, dieser zeige, "dass wir Hass und Intoleranz in unserer Gesellschaft keinen Raum geben dürfen. Das respektvolle Miteinander und der soziale Zusammenhalt müssen einmal mehr angesichts dieses tragischen Ereignisses im Vordergrund stehen."

Tief betroffen zeigte sich auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, selbst Medizinerin, auf Twitter: "Sie vertrat einfach ihren ärztlichen Standpunkt u. wurde Opfer von Hass. ÄrztInnen, wie sie es war, brauchen Schutz u. Unterstützung."

Die Neos kündigt auf Anfrage an, eine parlamentarische Anfrage zu dem Thema zu planen. Dabei ginge es primär um die Frage, wie die Polizei auf die Drohungen gegen Kellermayr reagiert hat.

"Zutiefst schockiert" zeigt sich die Österreichische Ärztekammer von der Nachricht des Ablebens der Kollegin. Dieses tragische Ereignis würde in erschreckender Weise zeigen, welche Folgen Hass im Netz haben können, so Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart in einer Aussendung. Schon seit Längerem sei das medizinische Personal in Spitälern und Ordinationen einer stetig steigenden Gewalt ausgesetzt.

Als Kellermayr die Schließung ihrer Ordination Ende Juni angekündigt hatte, hatte ihr der Präsident der oberösterreichischen Ärztekammer ausgerichtet: "Ich sehe ein, dass man sich wehren muss, aber es ist eine andere Frage, ob man sich bei jedem Thema auf Twitter exzessiv zu Wort melden muss", manchmal sei es besser, "man zieht sich zurück."

Gedenkveranstaltung geplant

Die Journalistin Ingrid Brodnig twitterte neben Beileidswünschen: "Auch die Exekutive soll das eigene Handeln oder Nicht-Handeln in diesem Fall aufklären müssen." Die Polizei war im Zuge der Ermittlungen in die Kritik geraten, zu wenig getan zu haben. Ein Sprecher der Landespolizeidirektion Oberösterreich wies dies gegenüber der APA zurück: Man sei seit November in ständigem Austausch mit der Ärztin gewesen und habe versucht ihr Schutz zu bieten. Man habe "alles getan, was möglich ist", sowohl was Sicherheit als auch was die Ermittlungen betreffe. Letztere seien noch im Laufen, bestätigte er. Die oberösterreichische Polizei hatte zuvor Kellermayr ebenso vorgeworfen, sie würde sich "in die Öffentlichkeit drängen".

Die oberösterreichische Gesundheitslandesrätin LHStv. Christine Haberlander (ÖVP) bekundete in einer Aussendung nicht nur ihr Beileid, sondern forderte auch rasche Schritte, "denn Hass, Intoleranz und Gewalt sind nie die Antwort, sondern stets die hässliche Seite der Gesellschaft. In einem vereinten Europa sollte auch eine Strafverfolgung für Delikte dieser Art grenzüberschreitend möglich sein. Vielmehr noch, sie müssen möglich sein".

Am Montag ist eine Gedenkveranstaltung für Kellermayr in Wien geplant. Daniel Landau, Organisator und Initiator von #YesWeCare, gab auf Twitter bekannt, eine Veranstaltung für 20 Uhr am Stephansplatz angemeldet zu haben. (muz, APA, 30.7.2022)