Expertinnen und Experten rechnen mit weiteren, deutlichen Preisanstiegen bei Strom. Die Politik ist alarmiert.

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Ob es sich bei dem Treffen, das heute, Montag, im Bundeskanzleramt stattfindet, tatsächlich um den von der SPÖ geforderten "Preisgipfel" handelt, wie Bürgermeister Michael Ludwig am Samstag via Twitter behauptete, ist wohl eine Frage des Standpunkts. Das wöchentliche Krisenkabinett der Regierung wird jedenfalls in erweiterter Form tagen: Auch die Opposition, der Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke als Vertreter Ludwigs und die Sozialpartner nehmen daran teil. Die Regierung will sie über die aktuellsten Entwicklungen bei Gasversorgung und Teuerung informieren. Neue Maßnahmen sind laut Kanzleramt zwar nicht geplant, zu besprechen gibt es mit der Strompreisbremse, SPÖ-Vorschlägen für einen Spritpreisdeckel und der Gasversorgungskrise aber genug.

Bremse bei Strom

Wie berichtet, will die Regierung bis Ende August einen konkreten Vorschlag für die geplanten Stromrechnungsdeckel präsentieren. Der grobe Plan steht: Konsumentinnen und Konsumenten sollen einen Teil ihres Verbrauchs zu einem fixen, niedrigen Preis beziehen können. Für alles, was darüber hinausgeht, müssten sie den Marktpreis bezahlen. Das soll die Bevölkerung entlasten, gleichzeitig aber zum Stromsparen motivieren.

Fraglich ist allerdings, wie hoch der geregelte Grundbedarf sein wird. Nach dem Modell, das die Regierung derzeit diskutiert, würde sich die subventionierte Strommenge am statistischen Durchschnittsverbrauch orientieren. Damit würden Menschen in kleinen Wohnungen mit geringem Energieverbrauch relativ gesehen mehr profitieren als Besserverdiener in großen Häusern. Darüber hinaus könnte es eine weitere soziale Staffelung geben, wie Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) in einem Interview mit "Profil" erklärte. So könnten etwa sozial Schwache Zusatzenergiemengen zu einem günstigeren Preis bekommen. All das müsse allerdings auch "administrierbar sein", sagte Brunner.

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SPÖ mit Forderungen

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil erneuerte am Wochenende dagegen die SPÖ-Forderung nach einer Deckelung der Spritpreise. Der Bund solle den Preis auf 1,50 Euro drosseln und die Steuern halbieren, forderte er im ORF-Radio. Die Maßnahme ist Teil eines Fünf-Punkte-Plans, den die SPÖ heute, Montag, präsentieren will. Neben Energiepreisdeckeln fordert die Partei auch eine Senkung der Umsatzsteuer auf Lebensmittel und Mietsenkungen.

Vom geplanten Starttermin der CO2-Bepreisung im Oktober hält Doskozil sichtlich wenig. Mittlerweile hätten die Preissteigerungen eine Dynamik erreicht, "wo wir nicht mehr über Lenkungseffekte diskutieren sollten", sagte der Landeshauptmann. Ganz im Gegenteil: Die Vorgangsweise sei "völlig falsch". Beim ÖVP-Finanzminister rennt Doskozil mit diesen Aussagen wohl offene Türen ein. Es sei "legitim, in dieser außergewöhnlichen Situation Maßnahmen zu hinterfragen", gab Brunner im Interview mit Profil zu Protokoll.

Dass die CO2-Bepreisung als "Herzstück der grünen Regierungsbeteiligung" neuerlich verschoben wird, hält die grüne Klubchefin Sigrid Maurer im APA-Interview dagegen für "ausgeschlossen". Noch deutlicher äußerte sie sich gegenüber der Opposition: Die SPÖ, die beim Krisengipfel einen Fünf-Punkte-Plan gegen die Teuerung vorstellen möchte, mache "einen Haufen populistischer Vorschläge", die von Ökonominnen und Ökonomen als nicht praktikabel beurteilt würden. Was die Sozialdemokratie derzeit abliefere, sei ihrer "historischen Verantwortung und Tradition nicht würdig". Letztlich sei die Partei eine des "Betons und des Benzins", befand die Klubchefin. SPÖ-Vizechef Jörg Leichtfried ortete dagegen einen "katastrophalen Zustand" und "Verzweiflung" bei der Regierung.

Russland macht weiter Druck

Während die Regierung zu ihrem Krisengipfel lädt, macht Russland indes weiter Druck auf Europa – auch das steht beim Treffen auf der Tagesordnung. Am Samstag drehte Gazprom mit Lettland einem weiteren EU-Land den Gashahn zu. Die dortige Wirtschaftsministerin Ilze Indriksone reagierte vergleichsweise gelassen. Man habe ohnehin nicht mehr lange mit Lieferungen gerechnet und genügend Gas eingespeichert. Nach der Drosselung der Ostseepipeline Nord Stream 1 beklagt Gazprom zudem weiter angebliche Probleme mit der gewarteten Gasturbine. Deutschland ortet "Machtspiele" Russlands. (Jakob Pflügl, 1.8.2022)