Am Ende hat es nicht ganz gereicht, an der Begeisterung lag es aber nicht: deutsche Fans in Berlin.

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Kollektives Mitfiebern, Bangen und Hoffen.

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Der Moment des Ausgleichs zum zwischenzeitlichen 1:1.

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Der Augenblick der Entscheidung zugunsten der Engländerinnen.

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Berlin – Noch ist das Match am Sonntagabend nicht ganz beendet, da starten in Berlin bei "Tante Käthe" schon die Fangesänge. "It's coming home, it's coming home", jubeln ein paar junge Britinnen und Briten am Mauerpark, wo es in und vor der Sportkneipe "betreutes Fußballschauen" gibt. So nennt die Bar selbst ihr Programm.

"Hey, shut up", ruft eine aus der überschäumenden Menge dann ihren Leuten zu. Denn man dürfe nicht vergessen: "Wir sind hier mitten unter Deutschen." Doch die Deutschen nehmen es den Jubelnden nicht übel. Sie sind nach der Niederlage der Frauen im Finale gegen England zwar vergleichsweise stiller, aber nicht völlig geknickt. "War doch ein super Spiel, und einer muss gewinnen", sagt Heinz. Er und seine Tischnachbarin sind im offiziellen Trikot des Deutschen Fußballbundes gekommen, vier Sterne (für die vier WM-Titel der Deutschen) prangen auf seiner Brust. "Ich sach mal", sagt Heinz, "das Wichtigste ist, dass unser Team so toll gespielt hat und überhaupt bis ins Finale gekommen ist." Für ihn ist klar: "Diese Frauen sind unsere Heldinnen."

"Wir trinken auf die Frauen!"

Petra, die sogar eine schwarz-rot-goldene Girlande mitgebracht hat, will erst einmal noch Bier holen: "Wir trinken auf die Frauen! Sie haben gezeigt, was alles möglich ist." Auch ums Eck, in der Kneipe "Mauersegler" ist ein Hauch von "Schland" zu spüren, hie und da liegen Deutschland-Fahnen am Tisch. Es ist natürlich nicht das WM-Feeling von 2006, das die Deutschen erfasst hat. Damals, bei den Männer-Spielen im eigenen Land, noch unter Trainer Jürgen Klinsmann, stand das Land kopf und berauschte sich an seiner eigenen, neuen Leichtigkeit. Doch viele haben im Lauf dieser EM das Interesse am Frauenfußball entdeckt und staunten mit der deutschen Elf, die es bis zum Finale ins Londoner Wembley-Stadion geschafft hatte.

"Heute POPPen wir England!" hatte die "Bild"-Zeitung noch wenige Stunden vor Anpfiff getönt und dann doch erklärt, dass "poppen" – in Anspielung an Deutschlands Kapitänin Alexandra Popp – "ab sofort historisch siegen" bedeute. Doch das "Wunder von Wembley" trat nicht ein, weshalb "Bild" nach Abpfiff auch schimpfte: "Wieder Wembley-Betrug! Klarer Hand-Elfer verweigert."

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Mädchen inspiriert

Für die Verliererinnen, die so hoch nach oben gekommen sind, gab es hingegen warme Dankesworte: "In den schwierigen Zeiten mit Ukraine-Krieg, Energie-Krise und Inflation habt ihr uns mit euren Spielen regelmäßig ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Nun trauern wir erst mal ein paar Tage mit euch." "Sport-Bild" brachte noch einen anderen Aspekt ein: Viel mehr wert als ein weiterer EM-Titel "könnte sein, dass Ihr die Herzen von Millionen Deutschen gewonnen und viele Mädchen inspiriert habt, auch kicken zu wollen".

Rosen streut auch die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ). Sie lobt "einen großen Kampf" und "hochklassige Leistungen" der Deutschen. Und tagesschau.de findet, die Frauen könnten trotz der Niederlage im Finale "stolz sein auf das, was sie, ebenso wie die verdienten Siegerinnen, gegeben haben: Begeisterung und Inspiration, die sich aus der Hingabe für ihren Sport, gepaart mit selten zuvor erlebter fußballerischer Klasse speiste".

Ganz Deutschland stolz

Über die "Weltklasse-Leistung in einem engen Team" freut sich via Twitter auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). "Das war ein mitreißendes Turnier und ganz Deutschland ist stolz auf dieses Team", erklärt er. Scholz war zum Finale nach London gereist. Absolute Jubelszenen auf der Tribüne sind derzeit von ihm noch nicht überliefert.

Seine Vorgängerin Angela Merkel hatte die Deutschen ja immer wieder mit ihrer Begeisterung im Fußballstadion verblüfft. Bei Siegen oder guten Leistungen der deutschen Männer-Elf ließ sich die sonst oft so kühle und distanzierte Kanzlerin zu wahren Freudenausbrüchen hinreißen. Dem Kanzler wollte natürlich auch Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) in nichts nachstehen. "Schade. Aber super Spiel, stark gekämpft. Wir können alle sehr stolz sein auf unsere DFB-Frauen", twitterte er.

Heinz will nicht mehr zu Tante Käthe

Freude herrschte in Berlin zum Finale auch bei vielen Gastronominnen und Gastronomen. "Durch den Einzug ins Finale ist eine gewisse Euphorie entstanden. Ich bin überzeugt, dass das eine Umsatzsteigerung bringt", sagte der Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Berlin (Dehoga), Thomas Lengfelder. Viele Lokale boten Public Viewing an.

Bei der nächsten EM der Frauen, sagt Fußballfan Heinz unter dem großen Bildschirm bei "Tante Käthe", wolle er persönlich jedoch nicht mehr in einem Biergarten fernsehen. Denn: "Ich hoffe, dass es dann echte Fanmeilen gibt. Verdient hätten es die Frauen." (Birgit Baumann aus Berlin, 1.8.2022)