Dieses Plakat wurde mehrfach von der Polizei übermalt und bald darauf von Unbekannten wieder mit dem "Pimmel"-Text beschriftet.

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In der norddeutschen Metropole Hamburg ist ein Lehrstück über den Streisand-Effekt zu Ende gegangen. Wie der NDR berichtet, haben die Behörden die Ermittlungen in der auch als "Pimmelgate" bekannt gewordenen Causa bereits vor Monaten eingestellt. Sie begründeten diesen Schritt mit "fehlendem öffentlichen Interesse".

Der Fall hatte bizarre Kreise gezogen. Andy Grote (SPD), der Hamburger Innensenator, hatte Ende Mai eine Party mit tausenden Besuchern an der Schanze als Verstoß gegen Abstandsregeln während der Corona-Pandemie kritisiert. "In der Schanze feiert die Ignoranz!", schrieb er in einem Twitter-Posting. "Manch einer kann es wohl nicht abwarten, dass wir alle wieder in den Lockdown müssen."

Aufregung um Party und Tweet

Die Äußerung erntete zahlreiche sarkastische bis unfreundliche Kommentare. Nicht wenige machten darauf aufmerksam, dass Grote selbst im Juni 2020 eine Party mit 30 Personen in der Hafencity veranstaltet und dabei Corona-Auflagen gebrochen hatte. Dafür musste er letztlich 1.000 Euro Bußgeld zahlen.

Eine Antwort verfasst hatte auch der Betreiber des "Zoo St. Pauli", eines Lokals von Fans des FC St. Pauli. Der Inhalt: "Du bist so 1 Pimmel."

Das war Grote offenbar zu weit gegangen. Er – oder eine von ihm beauftragte Person – hatten die Nachricht bei den Behörden angezeigt. In weiterer Folge war der Account-Betreiber Marlon P. bei der Polizei vorgeladen worden. Dort war ihm laut "Taz"-Aufarbeitung aber signalisiert worden, dass der Fall wohl wegen Geringfügigkeit bei den Akten landen werde.

Razzia machte Fall bekannt

Dennoch kam es bald darauf um 6 Uhr morgens zu einer Hausdurchsuchung bei seiner Ex-Freundin und Lokal-Mitbetreiberin Mara K., wobei die Beamten nach dem Handy suchten, von welchem aus der Tweet verfasst worden sein soll. Die Behörden waren auch an dieser Adresse vorstellig geworden, da P. sich nach seinem Umzug noch nicht umgemeldet hatte.

Die Razzia machte die Causa "Pimmelgate" erst weithin bekannt, beförderte das gleichnamige Hashtag tagelang ins Spitzenfeld der deutschen Twitter-Trends und sorgte für harsche Kritik am Vorgehen der Behörden. Die Hamburger CDU verlangte den Rücktritt des Senators.

Polizei übermalte Plakat mehrfach

Zudem begannen Unbekannte damit, in der Nähe der Wohnung des Senators Aufkleber mit der Beschriftung "Andy, du bist so 1 Pimmel" anzubringen, die von der Polizei wieder entfernt wurden. Am linksalternativen Kulturzentrum Rote Flora in der Schanze wurde zudem ein Plakat mit ebenjenem Slogan angebracht.

Dieses wurde von der Exekutive übermalt und der Schriftzug umgehend von Unbekannten wiederhergestellt. Das Vorgehen wiederholte sich mehrere Male, bis die Behörden schließlich ankündigten, sich mit fotografischer Evidenz zu begnügen, obwohl man sich wenige Tage davor noch aufgrund des Legalitätsprinzips dazu verpflichtet gesehen hatte, den Text unkenntlich zu machen. Derweilen verbreitete sich der Spruch auch auf anderen Wegen und wurde unter anderem auf T-Shirts gedruckt.

Zwischenzeitlich sind die Ermittlungen ohne weitere öffentliche Ankündigung eingestellt worden. Gemäß dem NDR-Bericht wurde das Verfahren bereits im März abgeschlossen. Grotes aktuelle Amtszeit endet, wie auch jene von Bürgermeister und den anderen Senatoren, regulär im Jahr 2025. (gpi, 1.8.2022)