Bei schlechten Umfragewerten haben Obmanndebatten in der ÖVP eine gewisse Tradition. Nun scheint es wieder so weit zu sein. In mancher Erhebung steht die Kanzlerpartei mittlerweile sogar hinter den Freiheitlichen nur auf Platz drei. Seither kursieren vermehrt Gerüchte, wonach selbst in hochrangigen Kreisen der Partei über eine mögliche Ablöse von Kanzler Karl Nehammer nachgedacht werden soll.

Bereits am Wochenende berichtete DER STANDARD darüber, die Wochenzeitung Falter deutete Finanzminister Magnus Brunner schon Mitte Juli als potentiellen Nachfolger an. Sonntagnacht zog der Boulevard nach. Auffällig dabei: "Österreich" veröffentlichte um 23.42 Uhr eine entsprechende Meldung zur angeblich geplanten Kanzlerrochade, "Heute" folgte um 23.57 Uhr nach.

Die Berichte der beiden Zeitungen haben eines gemeinsam: Darin ist jeweils von einem "Geheimplan" die Rede, wonach Karl Nehammer schon bald nicht mehr an der Spitze der türkis-grünen Bundesregierung stehen könnte. Noch vor wenigen Wochen wurde der Kanzler von seiner Partei mit hundert Prozent zum Obmann gewählt – wenn auch auf verdächtige Art und Weise.

Abseits der mäßigen Umfragewerte machte Nehammer zuletzt auch bei öffentlichen Auftritten keine besonders gute Figur. Im Gegenteil. Mit zwei seiner letzten Sager (Corona "kümmert uns nicht mehr", "Alkohol oder Psychopharmaka") hagelte es für Nehammer vor allem öffentlich Kritik. Auch bei der Bewältigung der aktuellen Energie- und Teuerungskrise scheint sich zumindest derzeit in den Umfragen nicht abzuzeichnen, dass der Kanzler samt seiner Regierung spürbar an Vertrauen in der Gesellschaft gewinnen kann. Gemeinsam haben ÖVP und Grüne schon seit geraumer Zeit keine Mehrheit mehr.

Karl Nehammer hat sich mit seinen letzten größeren öffentlichen Auftritten vor allem Kritik eingehandelt.
Foto: Reuters/ Lisa Leutner

Das wird in den schwarzen Bundesländern wohl durchaus mit Sorge betrachtet. Vor allem im Hinblick auf die Landtagswahlen in Tirol am 25. September und nächstes Jahr in Niederösterreich, Kärnten und Salzburg. In den Ländern fürchtet man, dass sich die kriselnde Performance der Bundespartei negativ auf das eigene Ergebnis auswirken könne. Wohl auch deshalb mehren sich die Spekulationen um eine mögliche Kurskorrektur.

In der Gerüchteküche werden jedenfalls bereits einige Alternativen gehandelt. Am hartnäckigsten hält sich das Gerücht, wonach Finanzminister Magnus Brunner Nehammer nachfolgen könnte. "Ich beteilige mich nicht an jeder künstlichen Sommerlochdebatte", sagt Brunner auf Nachfrage des STANDARD. "Wir haben als Regierung die Aufgabe, gegen die Folgen der vielfältigen Krise zu kämpfen. Genau das tun wir, deswegen gibt es heute auch das Krisenkabinett. Karl Nehammer ist ein ausgezeichneter Bundeskanzler und Krisenmanager, ich bin der Finanzminister an seiner Seite."

Die Gratiszeitung "Heute" bringt neben Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, die schon nach dem Abgang von Altkanzler Sebastian Kurz als aussichtsreiche Kandidatin galt, auch Arbeitsminister Martin Kocher und Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer ins Spiel. Das Boulevardblatt "Österreich" nennt zusätzlich noch Niederösterreichs Landeschefin und Ex-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. (red, 1.8.2022)