Ermöglicht eine "Freiheit des Spiels": Thorsten Lensing.

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In Salzburg werde er unter anderem "einen sehr gefährlichen Kugelfisch" spielen. Das Publikum müsse sich aber nicht ängstigen, so Devid Striesow, "das Tier bleibt auf der Bühne". Seit 15 Jahren ist der aus Film (zum Beispiel Ich bin dann mal weg), Fernsehen (zum Beispiel TatortSaarbrücken) und Theater (unter anderem in der Zusammenarbeit mit dem 2009 verstorbenen Jürgen Gosch) bekannte Schauspieler in Projekte des Theaterregisseurs Thorsten Lensing involviert.

Auf eine Lesung von Robert Walsers Schneewittchen 2005 folgten die Inszenierungen Onkel Wanja und Der Kirschgarten von Anton Tschechow 2008 und 2011, dann 2014 Karamasow nach Fjodor Dostojewski und 2018 Unendlicher Spaß nach David Foster Wallace.

Zwar entwickelte Lensing (bis 2011 im Regieduo mit dem Dramaturgen Jan Hein) in diesen Jahren außerdem drei weitere Inszenierungen, mit der im Theaterbetrieb üblichen Hochtourigkeit und Premierendichte hat die Arbeitsweise des 1969 geborenen Regisseurs jedoch keine Ähnlichkeit. Seitdem er sich 1994 mit Krieg von Rainald Goetz als Theatermacher der freien Szene etablierte, entstanden bis dato 15 Inszenierungen in komplexen Koproduktionszusammenhängen (zum Beispiel mit Les Théâtres de la Ville de Luxembourg, Sophiensæle Berlin oder dem Schauspielhaus Zürich). Nach der Einladung von Unendlicher Spaß zum Berliner Theatertreffen 2019 kommt mit Verrückt nach Trost erstmals ein Theaterabend in Österreich zur Premiere – am 6. August im Rahmen der Salzburger Festspiele.

Genauigkeit beim Text

Für Lensing ist Verrückt nach Trost außerdem die erste Uraufführung eines eigenen Theaterstücks. Bekannt für eine außerordentliche Genauigkeit im Umgang mit Texten, bewegen sich seine Inszenierungen jenseits von festgefahrenen Deutungsweisen. "Ein sehr spezieller Tschechow" sei es zum Beispiel geworden, sagt die österreichische Schauspielerin der Herzen Maria Hofstätter über ihre Mitwirkung beim Kirschgarten, "nicht so sanft-traurig wie immer schon gehabt, sondern ganz klar und gerade". Bei Lensing werden Texte wieder und wieder gelesen und diskutiert, so gab’s laut Striesow bei Onkel Wanja unzählige Lesedurchgänge während insgesamt 730 Probentagen. Erstmals mit Karamasow fokussierte eine Arbeit nur einzelne Figuren und Zusammenhänge des Ausgangstexts, Unendlicher Spaß konzentrierte die 1500 Romanseiten dann auf viereinhalb Theaterstunden. Das Schreiben eines eigenen Stücks scheint logische Folge dieses langsamen Abnabelungsprozesses.

Verrückt nach Trost entstand für die und im Austausch mit den vier Schauspielenden, die alsbald als Kugelfisch, Oktopus oder als nach dem Tod der Eltern traumatisierte Kinder in Salzburg zu sehen sein werden. Neben Striesow sind mit Sebastian Blomberg, André Jung und Ursina Lardi weitere hochkarätige, teils lange schon mit Lensing assoziierte Schauspielende dabei. "Es gibt eine große Vertrautheit im Ensemble. Wir alle haben Lust darauf, mit wenigen Mitteln und auf karger Bühne Assoziationen und Freude durch Schauspielkunst hervorzurufen, als ein Geschenk ans Publikum", so Striesow.

Das Besondere an den Arbeiten Lensings sei es, ein "Theater der Schauspielenden" zu sein. Dementsprechend wichtig ist die Besetzung. Auch Hofstätter, die ganz dezidiert für die Rolle des Dienstmädchens Dunjascha angefragt wurde, erinnert sich neben der Genauigkeit im Umgang mit Text und Inhalt vor allem an eine außergewöhnliche Freiheit des Spiels: "Selbst nach der Premiere gab es kein komplettes Reglement, wir wurden ermuntert, auch bei den Aufführungen immer wieder mal zu improvisieren."

Vital und vorurteilsfrei, so wirken Lensings Inszenierungen. Eine weitere Besonderheit: Sie sind dank der vielen Koproduktionspartner in vielen Städten zu sehen. Wenn sich Striesow eines wünschen dürfte, so wäre es ein kooperierendes Haus in der "Traumstadt" Wien. Aber fürs Erste freue er sich auf Salzburg und auf Verrückt nach Trost, das ihn und das gesamte Ensemble vor spannende schauspielerische Aufgaben stelle. "Kollege Jung als Pflegeroboter – das dürfen Sie einfach nicht verpassen!" (Theresa Luise Gindlstrasser, 2.8.2022)