ÖFB-Boss Milletich ist vorsichtig optimistisch.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Österreich Fußballboss Gerhard Milletich ist überzeugt, dass die EM in England für Österreich positive Folgen hat.

STANDARD: Wie lautet Ihr Fazit der Frauen-EM?

Milletich: Der Frauenfußball entwickelt sich rasch weiter. Es war nicht nur sportlich, sondern auch vom Umfeld her ein großer Schritt. Sie werden immer näher an die Männer herangeführt.

STANDARD: Die Auswirkungen der EM auf Österreich? Diesmal Viertelfinale, 2017 war man sogar im Halbfinale. Ein Boom ist damals allerdings ausgeblieben. Wird das jetzt anders sein? Im Sinne von mehr Nachhaltigkeit?

Milletich: Es geht nicht um einen Boom. Es geht darum, dass wir von 2017 bis zum heutigen Tag viel gemacht haben. Man muss das planen. In der Breite ist viel passiert, an der Spitze hat sich St. Pölten etabliert. Das ist Fakt, sonst hätten uns ja andere Nationen überholt. Praktisch alle Bundesligaklubs sind in den Frauenfußball eingestiegen, und bei Amateurvereinen gibt es Mädchenteams. Es braucht Zeit, über das Knie brechen kann man das nicht.

STANDARD: Nach wie vor spielen in Österreich nur 11.000 Mädchen und Frauen Fußball. Bedarf es einer Marketingoffensive?

Milletich: Man muss Impulse setzen. Jetzt gab es eine mediale Aufmerksamkeit, die war wichtig. Das Umfeld im Nationalteam ist absolut professionell. Aber wir können nicht auf Vereine zugreifen. Wir können nur den Boden aufbereiten.

STANDARD: Wie viele Mädchen sollen es zum Beispiel 2025 sein? Gibt es eine Wunschzahl?

Milletich: Ich nenne keine Zahl. Wir brauchen übrigens auch mehr Buben, Corona war ein Rückschlag. Vom Zugang und vom Bewusstsein her ist einiges passiert, Fußball ist für Mädchen mehr als eine Alternative. Auch die Politik sollte nun wissen, dass Frauenfußball eine wichtige gesellschaftspolitische Rolle einnimmt.

STANDARD: Ein Bub hat wirtschaftliche Perspektiven. Man kann als Profi viel Geld verdienen, im Idealfall aussorgen. Welche Perspektive haben Mädchen?

Milletich: Lassen wir die Kirche im Dorf. Von den Buben kommt vielleicht ein Prozent in den Bereich, wo sie verdienen können. Es geht nicht ums Geld. Sonst gäbe es ja keine Randsportarten wie Landhockey. Da wird niemand reich.

STANDARD: Eine Statistik aus dem Jahr 2019 besagt, dass 1700 Spielerinnen aus den sieben Topligen zusammen genauso viel verdienen wie Neymar alleine. Nämlich 37 Millionen Euro. Ist diese Schere nicht obszön?

Milletich: Neymar als Vergleich zu nehmen ist schwierig. Es geht um Angebot und Nachfrage. Es werden jetzt wohl mehr Sponsoren einsteigen. Aber in den Bereich der Männer vorzustoßen ist ein Ding der Unmöglichkeit.

STANDARD: Muss es nicht ein Ziel sein, dass sich Spielerinnen der österreichischen Liga den Alltag zumindest teilfinanzieren können?

Milletich: Das sollte ein Ziel sein.

STANDARD: Fakt ist, dass die Liga quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Auch zu Qualifikationsspielen des Nationalteams kamen im Schnitt nur 1600 Fans.

Milletich: Am 3. September treffen wir in Wiener Neustadt in der WM-Quali auf den neuen Europameister England. Ich bin gespannt, wie viele Leute kommen. Ich hoffe auf ein volles Haus, das wäre eine tolle Geschichte vor 5000 Fans. Vielleicht wird das Stadion zu klein. Aber das ist noch ein Wunschdenken. (Christian Hackl, 1.8.2022)