Die Frau, der dieser Kopf einst gehörte, lebte vermutlich vor rund 2.000 Jahren.
Foto: James Elliott/Maidstone and Tunbridge Wells NHS Trust

Die genaue Provenienz des Kopfes ist immer noch ein Rätsel und wird es wohl auch bleiben. Fest steht jedenfalls, dass irgendwann im 19. Jahrhundert das Haupt einer altägyptischen Mumie – vermutlich als Souvenir – seinen Weg aus Ägypten nach England gefunden hat. Hier landete der mumifizierte Kopf, nachdem er durch mehrere Hände gegangen war, schließlich für lange Zeit auf einem englischen Dachboden. Wiederentdeckt und der Sammlung des Canterbury-Museums vermacht, konnten die menschlichen Überreste nun erstmals mit modernen Methoden untersucht werden.

Angekommen war die antike Kostbarkeit beim Canterbury-Museum in einer Glasvitrine, weitgehend ohne Einzelheiten darüber, wie der Kopf in den Besitz eines Verstorbenen gelangt war. "Der Kopf tauchte auf dem Dachboden eines Hauses in Kent auf, das nach dem Tod des Besitzers ausgeräumt wurde", erklärte James Elliott, Dozent für diagnostische Radiographie an der Canterbury Christ Church University.

Begehrte Souvenirs

"Während der viktorianischen Zeit wurden solche Dinge als Souvenirs aus Ägypten mitgebracht und wahrscheinlich über Generationen weitergegeben", sagte Craig Bowen vom Canterbury-Museum gegenüber Kent Online: Der ägyptische Mumienkopf aus Kent war wahrscheinlich im Nachlass des Bruders des Letztbesitzers gewesen, meinen die Forschenden.

"Es wird angenommen, dass dieser Bruder ihn irgendwann in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von einem gewissen 'Dr. Coates' bekommen hatte. Mehr Details haben wir aber nicht", so Bowen.

Das Team um Dana Goodburn-Brown, Tristan Barnden und James Elliott (von links) will mithilfe der CT-Scans das Gesicht der Toten rekonstruieren.
Foto: MTW Hospitals

Dafür verraten eingehende computertomografische Untersuchungen (CT) so einiges über das Leben jenes Menschen, dem dieser Kopf einst gehört hatte. Erste Einblicke in die Ergebnisse wurden nun von der Canterbury Christ Church University präsentiert. "Die Scans liefern eine riesige Menge an Informationen – vom Zustand der Zähne, möglichen Krankheiten, Konservierungsmethoden bis hin zu Hinweisen auf Alter und Geschlecht", sagte Elliott, der die Untersuchungen leitete.

Erste Ergebnisse

Frühere Röntgenaufnahmen hatten schon darauf hingedeutet, dass der Kopf einer erwachsenen Frau gehört hatte. Anschließende CT-Scans im Maidstone Hospital in Barming, England, untermauerten dies und deuteten auf ein Alter von rund 2.000 Jahren hin. Über die soziale Stellung der Frau verraten die Scans zunächst nicht viel. Das Gebiss weist jedoch auf eine vergleichsweise grobe Nahrung hin: Die Oberflächen der Zähne sind stark abgenutzt. Überraschend gut erhalten ist auch die Zunge der Mumie.

Maidstone and Tunbridge Wells NHS Trust

Das Gehirn der Frau war nicht mehr vorhanden, es dürfte während der Mumifizierung herausgenommen worden sein. "Ironischerweise glaubten die alten Ägypter, dass der Verstand einer Person in ihrem Herzen sitzt. Sie achteten wenig auf das Gehirn", sagte Bowen. Es sei daher vor allem deshalb entfernt worden, um die Mumifizierung zu erleichtern. "Obwohl es häufig heißt, dass das Gehirn ausschließlich durch die Nase herausgezogen wurde, hat die Forschung mit CT-Scans mittlerweile auch andere Varianten ergeben", erklärt Bowen.

Rekonstruiertes Gesicht

Welche Methode bei der vorliegenden Mumie zur Anwendung kam, ist unklar. Die Forschenden entdeckten zwar im Nasenloch und im Spinalkanal eine Art Rohr oder Schlauch aus einem unbekannten Material. Doch über Ursprung und Alter dieser Objekte lasse sich noch nichts Verlässliches sagen.

Elliott und sein Team planen nun, aus den Scan-Daten eine dreidimensionale Rekonstruktion des Kopfes zu erstellen. Damit könnte die vor 2.000 Jahren verstorbene Ägypterin wieder ein Gesicht bekommen. (tberg, 2.8.2022)