Die Ruine der Getreidesilos im Beiruter Hafen gilt vielen als Sinnbild für die Korruption im Land – und dafür, welchen Schaden sie anrichtet.

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Beirut – Die Razoni, die mit der ersten ukrainischen Getreideladung seit Kriegsbeginn Kurs auf den Libanon genommen hat, ist keineswegs das erste Schiff, das aus dem Schwarzen Meer kommend dort für Aufsehen sorgt: Noch bekannter ist wohl die Rhosus, die vor neun Jahren aus dem georgischen Schwarzmeerhafen Batumi kommend in Beirut anlegte. An Bord: 2750 Tonnen Düngemittel in der Form von Ammoniumnitrat, die eigentlich für Mosambik bestimmt waren.

Was danach geschah, ist bekannt: Das hochexplosive Material wurde von der als äußerst korrupt geltendenden Hafenbehörde konfisziert und unzulänglich gelagert. Bis es am 4. August 2020 detonierte: 218 Menschen wurden getötet. Vom Hafen blieb wenig über – nur das Skelett der Getreidesilos, das offenbar den Westen von Beirut teils vor der Druckwelle bewahrt hatte.

Silos eingestürzt

Zudem wurden 7000 Menschen verletzt und die Häuser von abertausenden Bewohnern Beiruts verwüstet. Sie sind es auch, denen die letzten Wochen besonders zu schaffen machten: Denn das, was von den Silos übrig geblieben war und bald demoliert werden sollte, stand Anfang Juli plötzlich in Flammen und neigte sich noch schneller als zuvor – mit sechs Millimetern pro Stunde – dem Boden zu. Ein Anblick, der für viele Bewohner Beiruts traumatische Erinnerungen weckte. Der Grund für das Feuer: die Hitze und gärende Getreidereste im Speicher. Die Behörden rieten Anrainern, ihre Häuser wegen der Rauchschwaden nur mit FFP2-Maske zu verlassen und Fenster geschlossen zu halten. Die Angst vor dem bevorstehenden Kollaps war so groß, dass auch Einsatzkräfte aufgefordert waren, großen Abstand zu halten.

Am Sonntag war es dann so weit: Nur vier Tage bevor sich die größte nichtnukleare Explosion zum zweiten Mal jährt, fiel der nördliche Teil der Getreidesilos unter einer dichten Staubwolke in sich zusammen. Es wird befürchtet, dass weitere Teile der Ruine kollabieren könnten. Für den zweiten Jahrestag am Donnerstag haben die Hinterbliebenen der Explosionsopfer zu einer Demo in Hafennähe aufgerufen.

Protest gegen Untätigkeit

Sie sind wütend: darüber, dass noch niemand zur Verantwortung gezogen wurde – die großteils korrupte politische Klasse weiß das zu verhindern; und darüber, dass der Brand nicht gelöscht wurde – sie wollten, dass der Speicher zum Mahnmal wird. Doch die Politik hat nicht auf sie gehört. Nun kam das Feuer sogar der Demolierung zuvor.

Jetzt werden dringend neue Silos gebraucht – auch da wieder mehr Weizen aus der Ukraine kommt. Doch das Land steckt in einer tiefen finanziellen Krise. (Flora Mory, 1.8.2022)