Günter Schmidt lässt eine Kamera den Kamin hinunter und sieht: Hier muss definitiv saniert werden.

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Wer auf die Dächer Wiens steigen will, muss trittsicher sein, höhenerprobt und aktuell auch hitzeresistent. So wie Rauchfangkehrer Günter Schmidt. Seit vielen Jahren macht er diesen Job schon, doch lieber im Winter, erzählt er, wenn zwar die Finger ganz steif vor Kälte sind, aber man wenigstens nicht so schwitzt wie heute.

Aufträge ohne Ende

Es hat an diesem Tag im Juli um die Mittagszeit 34 Grad. Schmidt steht auf einem Dach in Wien-Hietzing und wartet, dass Rauch aufsteigt. Auf dem Kopf trägt er eine weiße, mit schwarzen Flecken übersäte Haube. Sie ist das Einzige, was ihn vor der glühenden Julisonne schützt. Denn: Schatten auf dem Dach? Fehlanzeige!

Dennoch haben Schmidt und seine Kollegen aktuell, obwohl Hochsommer ist, so viel Arbeit wie noch nie. Mit den Aufträgen komme man gar nicht hinterher, erzählt Michael Cesnek vom gleichnamigen Rauchfangkehrerbetrieb, bei dem Günter Schmidt angestellt ist. Denn angesichts der unsicheren Versorgungssituation beim Gas für den kommenden Winter wollen viele Menschen sich absichern und einen Holzofen zulegen.

So wie Doris Pfabigan, auf deren Dach Schmidt heute steht. Sie wünscht sich einen Ofen, in dem man das Feuer schön knistern sieht. Ohne die aktuelle Gaskrise wäre sie nicht auf die Idee gekommen, obwohl sie schon immer von einem Ofen geträumt hat – für die Gemütlichkeit. "Falls das Gas abgedreht wird, kann ich trotzdem heizen. Ich hoffe aber, dass das gar nicht erst passiert."

Warten auf das Rauchzeichen

Schmidt ist über eine Leiter in den Dachboden und dann weiter durch eine kleine Luke zu den Rauchfängen gestiegen. Jetzt wartet er auf ein Rauchzeichen von seinem Kollegen, der in Pfabigans Wohnzimmer steht und im Kamin ein Stück Zeitungspapier anzündet. Denn die fünf kleinen Türchen auf dem Rauchfang sind falsch beschriftet. In dem Kamin, der eigentlich zum Wohnzimmer führen sollte, hat Schmidt mit der Kamera, die er hinabgelassen hat, ein Lüftungsgitter entdeckt; ein Kaminschacht kann dies also nicht sein. Deshalb müssen die beiden Profis erst einmal herausfinden, welcher Rauchfang überhaupt der richtige ist.

Der weiße Rauch kommt aus dem Kamin mit der Nummer 17 – und aus der Nummer 18 und aus der Nummer 16. Und sogar aus einem Lüftungsschacht gegenüber. Sammelkamine gibt es nicht, jede Wohnung hat ihren eigenen. Deshalb ist klar: Hier stimmt etwas nicht.

Rauch im ganzen Stiegenhaus

Auf dem Weg zurück in die Wohnung zeigt sich auch, woran das liegen könnte. Im ganzen Stiegenhaus riecht es nach Rauch. Cesnek hat das Problem schnell identifiziert: In den Stockwerken wurden Lampen mit Bewegungsmeldern angebracht, und dafür wurde genau dort gebohrt, wo hinter den Wänden die Kaminschächte liegen. Der Rauch strömt somit nicht nur durch Pfabigans Kaminschacht aufs Dach, sondern entweicht durch den schwer undichten Rauchfang in alle möglichen Schächte.

Bevor ein Ofen angeschlossen werden kann, muss also noch saniert werden. "In ein bis zwei Wochen sollte das aber erledigt sein", sagt Cesnek und nennt das Problem einen klassischen Bauschaden.

Bei der Sanierung werden die betroffenen Rauchfänge ausgeschleift und neu verputzt. Kostenpunkt: 500 bis 1.000 Euro, je nach Länge des Rauchfangs.

Schwere Kugeln

Zuletzt überprüft Schmidt noch, ob der Kaminschacht einen freien Querschnitt hat. Das muss ohnehin einmal im Jahr geschehen, egal ob der Rauchfang genutzt wird oder nicht. Dafür lässt er die schweren schwarzen Kugeln hinab. Zumindest hier ist alles in Ordnung.

Ist der Kamin einmal saniert, steht dem Ofenanschluss nichts mehr im Weg, denn zuvor haben Schmidt und Cesnek im Wohnzimmer schon die Belüftungsverhältnisse überprüft.

"Wichtig ist, dass die Gebäudehülle undicht genug ist", sagt Cesnek, auch wenn das für Laien ungewöhnlich klingt. Dafür kommt ein Differenzdruckmessgerät zum Einsatz, das über einen Schlauch die theoretische Abluftmenge eines Ofens simuliert. Wer einen möchte, braucht genügend Sauerstoffzufuhr, die, sollte es in der Wohnung auch eine Gastherme geben, für beide Geräte reichen muss.

Frischluftzufuhr muss passen

Draußen brütet die Hitze, trotzdem dreht Schmidt in der Küche das Warmwasser auf, damit die Gastherme auf Hochtouren läuft. Das Messgerät piepst und zeichnet einen Graphen auf einen Bildschirm.

In Pfabigans Wohnzimmer passt die Frischluftzufuhr, auch weil sie eine in den Fensterrahmen eingebaute Spaltlüftung hat. Wenn zu wenig frische Luft in den Raum strömt, würde der Kaminabzug rückstauen und der Rauch ins Wohnzimmer strömen. "Das stinkt dann wie ein Lagerfeuer, man merkt es sofort", so Cesnek. Meist gibt aber die Therme eher auf, weil sie der schwächere Gegner im Konkurrenzkampf um die Luft ist, und entwickelt einen Abgasrückstau. Sie muss deshalb gut gewartet sein, damit der Abgaswächter im Notfall anspringt und das Gerät abschaltet. Dann strömen die Abgase nicht für eine längere Zeit in den Wohnraum.

Kleiner Ofen

Da Pfabigans Wohnzimmer relativ klein ist, raten die Profis ihr zu einem Ofen mit einer Leistung von vier bis sechs Kilowatt. Damit wird das Maß der Wärmeabgabe angegeben. Einen kompakten Schwedenofen gibt es ab ein paar Hundert Euro, ein richtiger Kachelofen kostet ab 10.000 Euro. Aktuell könnte es schwierig werden, überhaupt noch einen zu bekommen. Die Lieferzeiten betragen derzeit durchwegs mehrere Monate.

Insgesamt schätzen die beiden Profis, dass in etwa 50 bis 70 Prozent der Wohnungen mit einem alten Anschluss ein Ofeneinbau möglich sein dürfte. Lebt man in einer Eigentumswohnung, müssen die anderen Eigentümerinnen zustimmen, wenn der Rauchfang saniert werden muss. In Mietwohnungen brauchen Mieter für den Ofeneinbau die Zustimmung der Vermieterin. Während der Ofen, inklusive Einbau, selbst zu bezahlen ist, muss die Sanierung des Rauchfangs, da dies ein allgemeiner Teil des Hauses ist, vom Vermieter bezahlt werden.

Gutachten ist nötig

Schmidt und Cesnek haben ihren Job in Pfabigans Wohnung für heute erledigt. 200 Euro kostet ihr Besuch inklusive schriftliches Gutachten, das im Anschluss an sie geschickt wird. An die Hausverwaltung ergeht eine Meldung aller Mängel.

Mit dem Gutachten kann Pfabigan dann zum Ofenbauer oder in den Baumarkt gehen und sich einen Ofen kaufen. Ist er einmal montiert, kommt der Rauchfangkehrer noch ein letztes Mal zur Endabnahme. Wenn alles passt, gibt es ein schriftliches Okay, dass geheizt werden darf.

Pfabigan jedenfalls freut sich schon auf wohlige Abende vor dem Ofen, auch wenn dafür noch das Kellerabteil ausgeräumt werden muss. Irgendwo muss sie das Holz schließlich auch lagern – "falls es dann überhaupt noch Holz zum Einheizen gibt", sagt sie. (Bernadette Redl, 3.8.2022)