Sogenannte Sternenkinder können an besonderen Orten (oft auf einem Teil von Friedhöfen) bestattet werden, auch wenn sie weniger als 500 Gramm wogen. Auch in Österreich ist das möglich.

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Nachdem sie ein Kind verloren hatte, schrieb Natascha Sagorski ein Buch. Eine Petition folgte.

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Obwohl jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens eine Fehlgeburt erlebt, scheint das Thema noch immer tabu zu sein. Viele Frauen erfahren erst von den Fehlgeburten ihrer Freundinnen, Kolleginnen oder Verwandten, wenn es sie selbst trifft.

"Es tut so sehr weh, dass man das Gefühl hat, innerlich zu zerreißen. Aber man zerreißt nicht", schreibt Natascha Sagorski in ihrem Buch Jede 3. Frau (Verlag Komplett-Media), das heuer erschien. Die 38-jährige Autorin Sagorski, die bisher Romane verfasst hatte, wurde selbst vor zwei Jahren durch eine Fehlgeburt aus der Bahn geworfen.

24 Frauen, ein Mann

Weil ihr die Erfahrungsberichte anderer Frauen dabei halfen, ihren eigenen Verlust besser zu verarbeiten, beschloss sie, ein Buch zu schreiben, für das sie 24 Frauen und einen Mann erzählen ließ, wie es war, das ungeborene Kind zu verlieren. Jedes Kapitel titelt mit dem Vornamen, dem Alter der Betroffenen und Hashtags mit Begriffen wie "Ausschabung", "Missed Abortion", "Stille Geburt", "Sternenbestattung" oder in einem Fall auch "Fehlgeburt aus Vätersicht".

Beim Lesen der sehr offenen Erzählungen merkt man schnell, dass keine Fehlgeburt wie die andere ist, dass viele verschiedene Verläufe und medizinische Behandlungen möglich sind. Eines ist aber allen gemein: ein großer, oft still ertragener Schmerz. Und dieser Schmerz verhält sich nicht zwingend proportional zur Anzahl der Wochen, die man ein Kind im Bauch getragen, sich darauf gefreut und vorbereitet hatte. Auch nicht proportional zum Gewicht, das der Embryo oder das Baby wog, als die Schwangerschaft unerwartet zu Ende ging.

Doch vor dem Gesetz macht genau das einen großen Unterschied. Konkret, wenn es um den Mutterschutz nach einer Fehlgeburt geht. Verliert man in Deutschland ein Baby vor der 24. Woche, gilt das nicht als Entbindung, hat das Kind auch nur ein paar Gramm weniger als 500, ebenso nicht. Nach 23 Wochen hat man Anspruch auf 18 Wochen Mutterschutz, bei 22 Wochen und sechs Tagen auf null.

Autorin Natascha Sagorski
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Zeit zum Heilen

"Aber nach dem Verlust ihres Kindes brauchen Frauen Ruhe und Zeit zum Heilen", weiß Sagorski. Sie startete daher eine Petition für einen gestaffelten Mutterschutz nach Fehlgeburten, die bisher 39.000 Mal unterzeichnet wurde. Wird das Quorum von 50.000 Unterstützungen erreicht, muss Sagorski im Petitionsausschuss des Bundestags angehört werden. Vom Familienministerium erhielt sie dieser Tage schon eine Absage. Man wolle die Rechte von Frauen nach Entbindungen zwar stärken, aber vor der 24. Woche spreche man eben nicht von einer Entbindung. "Immerhin wollen sie prüfen, ob man auch schon ab der 20. Woche von einer Entbindung sprechen könnte", erzählt Sagorski.

"Zu sagen, alles vor der 24. Woche ist gar keine Entbindung, zählt also nicht, ist schon eine ganz harte, brutale Grenze", sagt die Münchnerin im Gespräch mit dem STANDARD. Auch das bayerische Familienministerium hat sie eingeladen. Zu dem Gespräch nehme sie eine Trauerbegleiterin mit. Ihre letzte Hoffnung setze sie aber auf die Abgeordneten des Bundestags, denn diese können die Sache ganz anders sehen.

In Österreich ist die Situation anders. Hier unterscheidet das Gesetz zwischen Fehlgeburt und Totgeburt. Nach dem österreichischen Hebammengesetz handelt es sich um eine Fehlgeburt, wenn das Geburtsgewicht des toten Kindes unter 500 Gramm liegt. Ab 500 Gramm liegt eine Totgeburt vor. Es wird also nicht von der Schwangerschaftswoche abhängig gemacht, sondern nur vom Gewicht. Bei einer Totgeburt haben die Frauen denselben Mutterschutz wie nach Lebendgeburten, also ein absolutes Beschäftigungsverbot von acht Wochen nach der Geburt.

Kündigungsschutz

Auf STANDARD-Nachfrage, ob in Österreich Änderungen geplant seien, wird im Arbeitsministerium auf die letzte Änderung von 2016 hingewiesen. Seit damals haben Arbeitnehmerinnen auch nach einer Fehlgeburt einen Kündigungs- und Entlassungsschutz, "insbesondere auch, um die psychische Belastung möglichst gering zu halten". Dieser Schutz besteht vier Wochen nach der Fehlgeburt. Bei Gesundheitsbeeinträchtigungen physischer oder psychischer Natur könne man natürlich in den Krankenstand gehen.

Für Sagorski und ihren Mann gab es ein Happy End mit zwei Kindern. (Colette M. Schmidt, 2.8.2022)