Gedenken an die Ärtzin Lisa-Maria Kellermayr.

Foto: Robert Newald

Nach dem Tod der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr müssen sich die gesamte Republik, Politik, Behörden, Zivilgesellschaft und auch Medien fragen, was die Meinungsfreiheit von Frauen wert ist. Denn diese ist unter Dauerbeschuss. Nicht erst, seit der virtuelle Terror gegen die Medizinerin begann. Wer das nicht erkennt, sollte sich vorstellen, was passiert wäre, wäre Kellermayr ein Mann gewesen: Genau. Wahrscheinlich nicht viel. Oder viel mehr. Keine frauenfeindlichen Gewaltfantasien und Beschimpfungen, die sich gegen ihr Äußeres richten. Aber vielleicht mehr in Sachen Polizeischutz und Ermittlungen gegen mutmaßliche Täter. Wir wissen, dass bedrohte männliche Politiker selbstverständlich Schutz bekamen.

Im Dienst der Republik

Lisa-Maria Kellermayr wurde von Impfgegnern angegriffen, weil sie Impfärztin war. Weil sie also eine Aufgabe übernahm, für welche die Republik ausdrücklich Ärztinnen und Ärzte gesucht hatte. Allein dafür hätte sie auch Schutz verdient. Schon davor hat sie sich durch tausende Hausbesuche der Pandemiebekämpfung der Republik gewidmet. Sie drängte nicht in die Öffentlichkeit, wie Polizei und Ärztekammer ihr vorhielten. Sie wurde von Medien eingeladen. Weil sie Expertise und etwas zu sagen hatte. Auch auf Twitter. Wie Männer auch.

Ist es für Frauen etwas Besonderes, sich öffentlich zu Wort zu melden? Dann haben wir als Gesellschaft ein fundamentales Problem. Medien, die versuchen, weibliche Gesprächspartnerinnen zu finden, wissen, wie schwer das geworden ist. Zu groß ist die Angst vor dem virtuellen Mob. Auch posthum hört die Verunglimpfung nicht auf. Weil Kellermayr nach einem halben Jahr extremer Belastung verzweifelte, werden ihr jetzt in Boulevardmedien ohne jegliche Grundlage "innere Dämonen" diagnostiziert, also eine psychische Erkrankung. Doch hier waren "äußere Dämonen" am Werk: Frauenhass, Wissenschaftsfeindlichkeit und Feigheit. (Colette M. Schmidt, 1.8.2022)