Kerzen für Lisa-Maria Kellermayr.

Foto: Robert Newald

Lichtermeer am Stephansplatz.

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Wien – Die Glocken des Stephansdoms haben am Montag um 20.45 Uhr für Lisa-Maria Kellermayr geläutet. Hunderte waren auf den Stephansplatz gekommen, um der oberösterreichischen Ärztin, die am Freitag verstorben ist, zu gedenken. Um 20.45 Uhr entzündeten sie auch ihre Kerzen und Taschenlampen auf Smartphones.

Viele hatten etwas Rosarotes angezogen, ein rosarotes Accessoire bei sich oder eine rosarote Kerze dabei. Denn Rosa war die Lieblingsfarbe von Kellermayr, die monatelang mit Hassnachrichten und Morddrohungen verfolgt wurde, bevor sie sich letzte Woche das Leben nahm.

DER STANDARD

Auch der Veranstalter Daniel Landau, der auch die Initiative "Yes We Care" und das dazugehörige Lichtermeer organisiert hatte, kam Kellermayr zu Ehren im rosa Poloshirt.

Ein Verein zur Mobbing-Selbsthilfe hatte schon um 20 Uhr eine Tafel neben das Portal des Doms gelehnt mit dem Text "Es ist auch Fremdverschulden, wenn jemand psychisch derart bedrängt wird, dass es mit dessen Tod endet. Man kann Menschen auch mit psychischer Gewalt (Mobbing) töten! Wir fordern, dass es auch im Strafgesetzbuch Platz findet."

Foto: IMAGO/Martin Juen

Viele waren mit Freunden oder Familie privat gekommen, andere in Gruppen. Wie etwa die "Omas gegen rechts" oder die Antifaschistische Aktion, die eine mehrere Meter langes Transparent rechts neben dem Dom entrollten, "Rechten Terror bekämpfen! Organisiert die antifaschistische Aktion" stand darauf zu lesen. Nachdem die Glocken verstummt waren, leuchteten die Lichter weiter und es wurden Gesänge angestimmt, etwa "We Shall Overcome" oder das hebräische Friedenslied "Hevenu shalom alechem".

Landau kannte Kellermayr

"Ich glaube, dass gemeinsam Trauern einer Gesellschaft guttut", sagte Initiator Landau. Er kannte Kellermayr persönlich, hatte sie erst Mitte Juli in ihrer Ordination getroffen. Dabei hätten sie auch über den Glauben gesprochen, das sei der Medizinerin wichtig gewesen, schilderte Landau. In Gedenken an die Verstorbene fand das Glockenläuten statt.

Dompfarrer Toni Faber unterstützt die Initiative, ebenso die Österreichische Ärztekammer. Am Wochenende ging laut Präsident Johannes Steinhart eine Verständigung an alle Wiener Ärztinnen und Ärzte mit der Bitte, an der Gedenkveranstaltung teilzunehmen und so als Ärzteschaft "ein eindrucksvolles Zeichen für Solidarität und gegen Gewalt und Hass" zu setzen. Auch Wissenschafter nahmen an der Mahnwache teil, darunter etwa der Molekularbiologe Ulrich Elling.

Am Stephansplatz fanden sich unter anderen auch der frühere Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) sowie Seniorenbund-Obfrau Ingrid Korosec (ÖVP) ein. Auch der ehemalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gedachte der Ärztin. Der ebenfalls anwesende Sänger, Bierpartei-Chef und deklarierte Bundespräsidentschaftskandidat Dominik Wlazny (alias Marco Pogo) twitterte am Abend: "Es is schön, dass so viele hier stehen, aber eine Schande, dass so viele hier stehen müssen."

Gedenken auch in Linz, Wels und Graz

In Graz waren laut der "Kleinen Zeitung" etwa 200 Menschen zum Gedenken zusammengekommen. In der Linzer Innenstadt nahmen laut Polizei knapp 300 Personen an einer Mahnwache für die oberösterreichische Medizinerin teil. Am Taubenmarkt wurden rund um den Brunnen Kerzen aufgestellt und Blumen vor einem Bild Kellermayrs niedergelegt. Nach einer kurzen Ansprache der Veranstalterin blieb die Menge lange in stiller Andacht stehen. In Wels gedachten nach APA-Zählung rund 150 Leute vor dem Landesgericht – und damit auch vor dem Quartier der Staatsanwaltschaft.

Polizei und Staatsanwaltschaft stehen seit dem Suizid in der Kritik, sie hätten zu wenig getan, um die Täter auszuforschen und die Ärztin zu schützen. Er habe den Suizid nicht politisch instrumentalisieren wollen, sagte Veranstalter Maximilian Friedl, daher habe er die Veranstaltung als Privatperson angemeldet. Friedl ist in der Jungen Linken Wels aktiv. Vor dem Gebäude wurden Kerzen angezündet und Blumen niedergelegt, die Teilnehmer versammelten sich zu einem stillen Gedenken an die Medizinerin.

Van der Bellen in Seewalchen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und seine Ehefrau Doris Schmiedauer legten vor der Praxis von Kellermayr in Seewalchen Blumen nieder, zeigt ein Foto auf Twitter. "An vielen Orten im ganzen Land kommen Menschen zusammen, um an Dr. Lisa-Maria Kellermayr zu erinnern. Um gemeinsam ein Zeichen für Zusammenhalt und gegen Hass zu setzen. Ein stiller Moment des Gedenkens heute in Seewalchen. #YesWeCare", twitterte Van der Bellen am Montagabend.

Monatelang war die 36-Jährige vor ihrem Suizid unter anderem mit Mord bedroht worden, sie fühlte sich dem Hass von Impfgegnern und Corona-Leugnern hilflos ausgesetzt. Zu Beginn der Corona-Pandemie arbeitete Kellermayr im hausärztlichen Notdienst, betreute Covid-19-Patienten zu Hause. Die Drohungen gegen sie hatten begonnen, als die Ärztin im November 2021 eine Demo vor dem Klinikum in Wels auf Twitter kritisierte und die Landespolizeidirektion Oberösterreich von einer "Falschmeldung" sprach.

Ende Juni schloss die Allgemeinmedizinerin ihre Ordination in Seewalchen am Attersee. Laut eigenen Angaben hatte sie rund 100.000 Euro für Schutzmaßnahmen ausgegeben. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich und die Oberösterreichische Ärztekammer hatten ihr ausgerichtet, sie solle sich doch öffentlich zurückhalten. (cms, APA, 1.8.2022)